Heute kostest es mich Überwindung aufzustehen als der Wecker um halb 4 Uhr morgens klingelt. Aber es muss sein, denn ich benötige noch ein paar Dateien von unserem Server am Institut in Deutschland, und das Zeitfenster für den Kontakt mit dem SPTR-Satelliten endet bereits um 5:43 Uhr. Auf der positiven Seite: in den frühen Morgenstunden scheint die Sonne durch das Fenster auf meinen kleinen Schreibtisch im Zimmer. Ich stelle den Wecker aus, nehme den Karton vom Fenster und setze mich für 5 Minuten in die Sonne. Die normale Verdunkelung am Fenster ist nicht dunkel genug, deshalb dichten wir die Fenster vor dem Schlafengehen mit einem Stück Karton ab.

Das Sonnenlicht ist so gleisend hell, dass ich die Augen wieder schließen muss. Aber es hilft, ich werde wach. Während meiner Überwinterung auf der Davis-Station ging ich immer in das Gewächshaus wenn ich müde wurde. Wir hatten dort eine künstliche Sonne, die zwar nicht ganz so hell war, aber auch Wunder wirkte.

Im B2 Labor schaue ich zuerst einmal die E-Mails durch, die während letzten Stunden ohne Satellitenverbindung verschickt worden waren und nun hier einen halben Tag später eintrudeln. Andi hat eine Messung mit dem Helium-Lidar am Institut gemacht, aber es hat etwas nicht funktioniert. Ich schreibe eine kurze Antwort mit dem Wissen, dass er die Nachricht erst morgen lesen wird. Da wird einem erst wieder einmal so richtig bewusst, wie selbstverständlich es zu Hause ist, jede Zeit Nachrichten schreiben und lesen zu können. Hier am Pol müssen wir uns nach den Bahnen der Kommunikationssatelliten richten. Wenn die Satelliten nachts auftauchen, dann stehen wir eben in der Nacht auf.

Beim Frühstück treffe ich Craig und Megan. Craig ist der Pilot der Basler und Megan eine der Wissenschaftlerinnen, die das Eisradar an Bord bedienen. Mit dem Radar kann die Struktur des bis zu 3 km dicken Eisschildes der Antarktis vermessen werden. Dazu Fliegen sie mit der Basler in mehreren Tagen ein Gebiet von in etwa der Größe Deutschlands in einem engen Raster ab. Gestern war das Wetter im Zielgebiet zu schlecht für einen Flug, aber heute sieht es gut aus. Craig will in einer Stunde starten. Vielleicht das letzte Mal diese Woche, denn ab morgen wird es hier am Pol windig – das sagen zumindest unsere Meteorologen hier. Ich bin gespannt. In den 10 Tagen, die wir nun schon hier sind, hatten wir jeden Tag Sonnenschein. Ich habe keine Ahnung, was die Leute hier unter schlechtem Wetter verstehen.

Bild Basler Links und rechts unter den Flügen und unter dem Rumpf der Basler sind die Antennen der zwei Eisradarsysteme angebaut

Es macht Spaß sich mit den anderen Wissenschaftlern zu unterhalten. Normalerweise hat man ja nur mit Kollegen aus seinem eigenen Fachgebiet Kontakt und es bleibt nicht viel Zeit, um über den Tellerrand hinauszuschauen. Auf der Station jedoch treffe ich Wissenschaftler aus unterschiedlichsten Gebieten. Wann würde ich sonst Glaziologen zum Frühstück treffen oder mit Astrophysikern, die die kosmische Hintergrundstrahlung untersuchen, zu Mittag essen. Alle sind sehr interessiert und man tauscht sich aus. Nach dem Frühstück geht unsere Arbeit an unserem Lidar-Instrument weiter. Heute wollen wir das Empfangsteleskop aufbauen. Dazu montieren wir die Teleskopstangen, die später die Fokaloptik halten werden, und setzen den etwa 30 kg schweren Spiegel auf den Spiegelträger. Die Teleskopstangen bestehen aus verklebten Kohlefasern, welche in einem bestimmten Winkel über Kreuz gewickelt sind, so dass die Wärmeausdehnung entlang der Achse der Stangen fast null ist. Stangen aus Stahl oder Aluminium würden sich bei den niedrigen Außentemperaturen zusammenziehen und den Fokus des Teleskops weit verstellen.

Bild Teleskop
Das fast fertige Empfangsteleskop des Lidars befindet sich in der mit dicker Schaumstoffisolierung ausgekleideten Box unter dem Dach der Station.

Dann kommt der schwierige Teil, die optische Justage. Christoper baut dazu oben am Teleskop einen kleinen grünen Justierlaser – vergleichbar einem Laserpointer – an und schickt den Strahl durch den Fokuspunkt des Teleskops nach unten auf den Teleskopspiegel. Der vom Spiegel reflektierte Strahl läuft wieder nach oben und wir justieren den Laser so lange, bis beide Strahlen übereinander liegen, d.h. der reflektierte Strahl im nachunten laufenden Strahl zurückläuft. Damit haben wir die optische Achse des Teleskops bestimmt.

Als nächstes wollen wir die Blickrichtung des Teleskops exakt vertikal ausrichten, denn das Teleskop soll später genau senkrecht in den Himmel schauen. Dazu decken wir den Teleskopspiegel mit einer Schaumstoffplatte ab und stellen eine offene Wasserflasche darauf. Der Laserstrahl wird nun anstatt vom Teleskopspiegel von der Wasseroberfläche nach oben reflektiert. Der Vorteil eines solchen Wasserspiegels besteht darin, dass die Wasseroberfläche bedingt durch die Erdanziehungskraft immer horizontal ausgerichtete ist, unabhängig davon, wie man das Gefäß hält. Der Spiegel liegt sozusagen immer perfekt horizontal. Wieder versuchen wir die beiden Laserstrahlen übereinander zu bekommen. Nur justieren wir dieses Mal nicht den Laser, sondern kippen das ganze Teleskop. Ich habe in der Beschreibung ein paar Schritte weggelassen, da ansonsten der Artikel unnötig lang werden würde. Am Ende der Prozedur haben wir das Teleskop einjustiert und dessen Blickrichtung exakt vertikal ausgerichtet.

Bild Spiegel Unsere Spiegelbilder auf dem Teleskopspiegel. Die weißen Punkte an der Decke im Spiegelbild sind vom Laserstrahl erzeugte Lichtpunkte, die wir für die Justage des Teleskops nutzen.

Im letzten Schritt justieren wir den Laserstrahl des großen Leistungslasers auf die Achse des Teleskops, denn das Teleskop soll später dem Laserstrahl quasi „hinterher schauen“. Dazu betreiben wir den Laser mit sehr geringer Leistung, ähnlich einem Laserpointer. Bei voller Leistung ist der Laser viel zu gefährlich, um damit Justagearbeiten durchzuführen. Kurz vor dem Abendessen ist auch dieser Schritt geschafft. Es war ein langer Tag, aber wir sind dafür einen großen Schritt im Aufbau des Lidars weitergekommen. Bleibt zu hoffen, dass nicht gerade morgen uns schon das schlechte Wetter erreicht und wir einen allerersten Test mit dem Lidar durchführen können.