Robben
Wir sind noch immer in McMurdo. Unser Flug wurde von 9 auf 13 Uhr verschoben, dann auf 19 Uhr und schließlich ganz abgesagt. Zuerst wegen Problemen mit den Flugzeugen und dann wegen schlechtem Wetter. Schwarzer Humor bestimmt das Thema der Gespräche beim Mittag- und Abendessen. Wie viele Begründungen gibt es um einen Flug abzusagen? Kommen wir dieses Jahr noch zum Pol? Zwei aus unserer ursprünglichen Gruppe von 10 Personen haben bereits aufgegeben und sind nach Christchurch zurückgeflogen. Sie wollen im Januar wiederkommen. Wir verbliebene harren weiter hier aus.
Nach dem Schneesturm ist es plötzlich Sommer geworden. Bei klarem Himmel haben nun die Sonnenstrahlen genug Kraft um die schwarzen Lavasteine zu erwärmen und Schnee zu schmelzen. Kleine Bäche laufen über die Straßen und es ist stellenweise matschig. Im Schatten gefriert der Matsch jedoch sofort wieder. Es ist rutschig und man muss sehr aufpassen, wohin man tritt.
Mein Abendspaziergang führt mich die Straße runter zu Hut Point. Dort liegen eine Handvoll Robben auf dem Eis mit ihren Jungen. Man kann den Jungen beinahe beim Wachsen zusehen, so schnell werden sie größer. Das müssen sie auch, denn nach ungefähr 6 Wochen ist die Kinderzeit zu Ende und es geht ins Wasser. Bis dahin jedoch tun sie nicht viel außer daliegen und wachsen.
Die schwarzen ovalen Streifen auf dem Eis sind Robben
Ein Weibchen und ihr vor ca. 4 Wochen geborenes Baby. Die grünen Streifen an den Schwanzflossen sind Tags mit Nummern zur Kennzeichnung
Ich laufe an der Küste entlang den Berg hoch in Richtung Arrival Heights. Von dort aus hat man eine gute Aussicht auf den McMurdo Sund, der noch immer komplett bis zum Horizont mit Eis bedeckt ist. Offenes Wasser ist nicht zu erkennen. Scotts Männer haben vermutlich vor gut 100 Jahren auf demselben Pfad Ausschau gehalten, wann das Meereis denn aufbricht und somit die Ankunft der Schiffe ermöglicht. Es ist noch früh im Sommer; bei den nun herrschenden milden Temperaturen könnte das Meereis aber schon beim nächsten größeren Sturm ausbrechen. Das Versorgungsschiff für diese Saison wird für den 25. Januar erwartet. Sollte das Eis bis dahin nicht weg sein, so wird ein Eisbrecher die Einfahrt in den Hafen freiräumen. Heutzutage ist alles planbarer geworden. Zumindest im Prinzip, wir sitzen ja noch immer hier fest.
Mein roter Parka für den Südpol ist denkbar ungeeignet für die milden Temperaturen und ich komme trotz geöffnetem Reißverschluss ins Schwitzen. Aber eine andere Jacke habe ich nicht; mein normales Gepäck liegt auf einer Palette in einem Lager draußen auf dem Flugfeld. Die Besatzung von McMurdo bekommt zusätzlich zum Parka dünne Jacken für den Sommer ausgehändigt. Wir jedoch sollten nur eine Nacht hier verbringen, da hielt man „luftige“ Kleidung nicht für notwendig. Am Südpol ist es ja immer kalt. Oben angekommen wende ich mich von der Küste ab und laufe an den ELF-Antennen vorbei auf die Straße zu, welche von Arrival Heights kommt. Selbst hier draußen steht am Straßenrand aufgereiht ein Lagercontainer neben dem anderen, vermutlich weil in McMurdo nicht genügend Platz war. Es ist für mich befremdlich, dass die Station soweit expandiert. Die Straße führt mich den Berg runter zurück ins Zentrum von McMurdo. Ich höre wie die C17 draußen auf dem Flugfeld startet, sehe sie aber nicht. Sie wird weit nach Mitternacht in Christchurch landen. Ob unsere LC-130 morgen starten wird?
Die milden Temperaturen haben Schnee schmelzen lassen und kleine Bäche säumen die Straßen.