Es ist Sonntag und damit der einzige arbeitsfreie Tag in der Woche. Wie auf den anderen Stationen wird in McMurdo generell an 6 Tagen die Woche gearbeitet, wobei natürlich manche auch am Sonntag arbeiten müssen und dementsprechend an einem anderen Tag frei haben. Das gilt zum einen für das Küchenpersonal und zum anderen für ein Teil des technischen Personals. Zum Beispiel muss das Kraftwerk weiterlaufen und die Kommunikation mit der Außenwelt überwacht werden. Sonntag bedeutet auch, dass es anstatt Frühstück heute Brunch von 10-14 Uhr gibt.

Über „Nacht“ – hier geht die Sonne schon seit Wochen nicht mehr unter – hat sich das Wetter weiter verschlechtert. Nun sind alle Orte um die Station herum inklusive der Camps und Arrival Heights auf Condition 1, d.h. es geht dort niemand mehr vor die Tür. Es ist bewölkt und es herrscht dichtes Schneetreiben. Ganz gleich um welche Tageszeit man aus dem Fenster schaut, es sieht immer gleich aus. Als wäre die Zeit stehen geblieben. Da die Sonne hinter den Wolken nicht zu sehen ist, gibt der Blick nach draußen überhaupt keinen Anhaltspunkt wie spät es ist. Ist es mittags, morgens oder abends?

Am Nachmittag lässt dann das Schneetreiben nach. Und als wir nach dem Abendessen unser Gepäck zu Gebäude 140 schaffen, ist es beine Windstill und warm. Ja, wir werden morgen einen weiteren Versuch starten, zum Südpol zu fliegen. Unser Flug ist für 9 Uhr geplant, aber ich bin mir fast sicher, dass es wieder Verschiebungen geben wird.

Nach dem Abendessen findet der wöchentliche Wissenschaftsvortrag in der Kantine statt. Ein Professor aus den USA erzählt über ein schon seit 50 Jahren laufendes Projekt zur Überwachung der Robbenpopulation in einer Kolonie nicht weit von der Station. Jedes Jahr verbringen die Forscher mehrere Wochen in der Kolonie um alle neugeborenen Robben mit Marken zu versehen und Sichtungen von anderen, bereits markierten Tieren in eine Datenbank einzutragen. Das älteste Tier ist nun 34 Jahre halt und hat 26 Junge zur Welt gebracht. Über Jahrzehnte war die Population stabil, und nun steigt sie in den letzten Jahren stetig an. Aber es ist unklar wieso. Es könnte den Tieren einfach besser gehen als früher, oder es könnten Tiere in nördlicheren Kolonien aufgrund des Klimawandels verdrängt werden, und sie dazu verleiten, sich weiter südlich anzusiedeln. Die Kolonie hier ist die südlichste Kolonie in der gesamten Antarktis.

Nach dem Vortrag mache ich meinen übliche Abendspaziergang. Es ist tatsächlich ein blauer Streifen am Himmel zu erkennen und ein paar Sonnenstrahlen schaffen es bis zur weißen Insel. Vielleicht kommen wir doch morgen von hier los. Das ST08-Paper ist fast fertig.

Observatin Hill Ein Streifen blauen Himmels hinter Observation Hill

McMurdo Es liegt ein wenig Schnee in McMurdo. Das blaue Gebäude rechts ist Gebäude 155, das rot-weiße Gebäude ist die Klinik.

McMurdo Hut Point und der Hafen von McMurdo