Nach den Proben gestern geht heute alles ganz schnell und um 9 Uhr sitzen wir wieder im Bus zum Flughafen. Jeder wartet schon darauf, was heute wieder schief gehen würde. Aber kaum sind wir angeschnallt, hören wir auch schon das Hochlaufen der großen Turboprop-Triebwerke. Trotz der Ohrstöpsel ist der Lärm deutlich lauter als in normalen Linienmaschinen. Das Flugzeug fängt an zu zittern und dann rollen wir los. Wir merken das eher in unseren Hintern als dass wir etwas sehen, denn als Militärflugzeug hat die LC-130 nur sehr wenige und kleine Fenster. Da wir seitwärts in der Kabine sitzen, rutschen wir alle nach hinten als die Flugzeugnase nach oben gezogen wird und wir abheben. Ein hektischer Griff in das Netz hinter uns; der Anschnallgurt hält uns jedoch an unseren Plätzen. Dieses neue Gefühl ist allerdings bald verflogen und es setzt Monotonie ein. Etwas mehr als 7 Stunden Flug liegen noch vor uns. Viele haben Bücher dabei; ich mache die Augen zu und döse in einem Halbschlaf vor mich hin. Es passiert wirklich nichts. Keine Ansagen (die würde man wegen des Lärms sowieso nicht hören), kein Bordservice, keine Unterhaltungen. Nur der Bordingenieur kommt ungefähr jede Stunde vorbei und führt mit Hilfe einer Taschenlampe eine Sichtprüfungen der Hydraulikleitungen über unseren Köpfen durch. Sicherheit wird hier wirklich sehr ernst genommen.

Irgendwann kann ich nicht mehr sitzen und stehe auf, um mir die Beine zu vertreten. Neben der Türe befindet sich ein kleines Fenster und ich sehe Packeis auf dem Meer. Offensichtlich haben wir den „point of no return“ schon passiert. Das ist der Punkt, an dem die Piloten die Entscheidung treffen müssen, entweder in McMurdo zu laden oder nach Neuseeland zurückzukehren. Weitere Ausweichflughäfen für den Fall von schlechtem Wetter in McMurdo gibt es nicht, und das Wetter in der Antarktis ist oft unberechenbar und kann sich innerhalb von wenigen Minuten drastisch ändern.

Eisschollen Ein Blick aus dem Fenster: Erste Eisschollen zeigen sich

Ein oder zwei Stunden später, ich habe jegliches Gefühl für die Zeit verloren, geht das Flugzeug in den Sinkflug über und der Load Master gibt uns das Zeichen zum Anschnallen. Wenig später landen wir. Die Piloten scheinen ihr Handwerk wirklich zu beherrschen, denn eine solch sanfte Landung bin ich von Linienmaschinen nicht gewohnt. Man merkt das Aufsetzen kaum. Wir rutschen noch eine Weile über den Schnee und kommen schließlich an der Rampe des Flugfeldes auf dem Meereis zum Stillstand. Die Türe wird geöffnet, ich nehme meinen Rucksack auf die Schulter, und dann stehe ich wieder auf dem Antarktischen Kontinent. Das ist schon fast unwirklich. Meine letzte Reise in die Antarktis mit dem Eisbrecher Aurora Australis in 2011 hat mehr als eine Woche gedauert.

Landung auf dem Eis Wir sind auf dem Eis gelandet

Ivan Das Transportfahrzeug Ivan hat schon fast Kultstatus erreicht und wird immer noch eingesetzt um Personen vom Flugfeld zur Station zu bringen

Wir werden schon von Ivan, dem geländegängigen Bus, und seinem Fahrer erwartet. Ivan bringt uns zur Station McMurdo, welche ca. 12 km vom Flugfeld entfernt an Land liegt. Zunächst fahren wir auf der Eispiste auf einer mit Fähnchen abgesteckten „Straße“ Richtung Küste. Dann geht es allmählich den Berg hinauf auf schwarzem Lavagestein. Dieser Ort der Antarktis ist vulkanischen Ursprungs und es gibt schwarze Steine in allen Größen bis hin zu Sand. Wir passieren die neuseeländische Station, welche ca. 2 km von McMurdo entfernt liegt. Diese Station ist viel kleiner als McMurdo, ja sogar etwas kleiner als Davis, und alle Gebäude sind in eintönigem Grün gehalten.

Neuseeländische Station Die neuseeländische Station liegt auf einer kleinen Landzunge etwa 2 km von McMurdo entfernt

Weiter geht es vorbei an riesigen Tanks und Lagerflächen mit allen möglichen Baumaterialien. In den Tanks ist der Treibstoff für die Flugzeuge und Diesel für die Dieselgeneratoren zur Stromerzeugung in McMurdo gelagert. Mit einer Population im Sommer von bis zu 1500 Personen hat McMurdo einen unglaublichen Energiebedarf. Es sieht aus wie auf einem Ölfeld; dazwischen stehen hunderte Fahrzeuge – Kräne, Bagger, Pistenraupen, normale Autos und Schneemobile. Und überall Transportcontainer und Paletten – Tausende. Ich bin geschockt und vergessen Bilder zu machen. Das hat mit einer Forschungsstation, wie ich es von Davis kenne, nichts zu tun. Das ist Industrie und eine Machtdemonstration.

in McMurdo Die „Hauptstraße“ von McMurdo

Wir werden an der Hauptstraße von McMurdo vor dem Wissenschaftsgebäude abgesetzt und in einen Besprechungsraum gebracht. Die Stationsleiterin begrüßt uns und es folgt ein Video mit Informationen über die Station und Sicherheitshinweisen. Als nächstes bekommen wir unsere Zimmerschlüssel und müssen uns einem weiteren COVID-Test unterziehen, dann schnell zum Abendessen denn die Kantine vier Gebäude weiter macht gleich zu. Als wir zurück kommen um unser Gepäck zu holen, machen wir eine weitere bezeichnende Entdeckung. Das Wissenschaftsgebäude ist abgeschlossen und wir müssen erst eine Person mit einem Schlüssel finden. Gar nicht so einfach. Ich kann mich nicht erinnern, auf Davis ein Schloss gesehen zu haben mit Ausnahme des Büros des Stationsleiters – und selbst das war nie abgeschlossen. Hier in McMurdo sind selbst die Gebäude nach 18 Uhr zu.

Nachdem wir unser Zimmer bezogen haben – wir sind zu dritt in einem Zimmer untergebracht – laufen Christopher und ich noch ein wenig durch die Station. Runter zum Meereis kommen wir nicht, da der Weg abgesperrt ist; ja sogar Zäune gibt es hier. Aber wir kommen an dem Stationsschild vorbei und machen Fotos.

Ankunft in McMurdo Ankunft in McMurdo

Auf dem Rückweg zu unserem Zimmer sehen wir eine Sonnenuhr. Selbst kurz vor Mitternacht funktioniert sie noch bestens – es dauert noch fast zwei Monate bevor die Sonne hier wieder unter geht.

Eine Sonnenuhr Die Sonnenuhr funktioniert auch um kurz vor Mitternacht noch bestens

Noch eine Bemerkung zum Schluss: Aufgrund des Problems mit den Windows Updates kann ich meinen Rechner nicht an das Netzwerk anschließen. Es bleibt mir nur der Weg über Christophers Rechner um E-Mails zu schreiben oder diese Artikel auf den Server zu laden. Erwartet bitte daher keine schnellen Antworten.