Wie kommt das Internet zum Südpol?
Nachdem die verfügbare Bandbreite gestern nicht mehr ausreichte, um alle Bilder des Berichts hochzuladen, bringt mir Christopher heute schon um 5 Uhr am Morgen seinen Latop. Meinen Latop kann ich wegen des Update-Problems immer noch nicht an das Netzwerk anschließen.
Warum um 5 Uhr morgens? Nun, das hängt mit der Sichtbarkeit der Satelliten zusammen. Aller Internetverkehr zu und von der Station läuft über Satelliten. Normalerweise werden für diese Art von Kommunikation geostationäre Satelliten verwenden. Das sind Satelliten, die in 36000 km Höhe über dem Äquator stationiert sind. In dieser Höhe benötigen die Satelliten genau 24 Stunden für einen Umlauf um die Erde, sie scheinen also von der Erde aus gesehen fix über einem Punkt zu stehen, sind also geostationär. An den Polen hat man nun das Problem, dass die geostationären Satelliten unterhalb des lokalen Horizonts stehen; sie sind also nicht sichtbar. Da sich Funkwellen quasi optisch ausbreiten und nicht die Erde durchdringen, funktioniert die Kommunikation mit geostationären Satelliten an den Polen nicht.
Schematische Darstellung der Sichtbarkeit von Satelliten. Nur der untere Satellit, welcher sich in einem driftenden Orbit befindet, ist zeitweise vom Pol aus sichtbar.
Glücklicherweise gibt es ein paar wenige Satelliten, welche sich in einem driftenden Orbit befinden. Meistens sind dies alte ursprünglich geostationäre Satelliten. Wenn der Treibstoff zur Neige geht, beginnen die Satelliten vom geostationären Orbit weg zu driften. Dies liegt daran, dass die Erde keine perfekte Kugel ist und Massenkonzentrationen, wie beispielsweise große Gebirge, Störungen in den Satellitenbahnen verursachen. Wenn diese Bahnstörungen nicht periodisch durch Triebwerkszündungen ausgeglichen werden, bewegen sich die Satelliten mit der Zeit vom Äquator weg und beginnen periodisch nach Norden und Süden zu wandern. Ist die Auslenkung der Bahn groß genug, werden die Satelliten in driftenden Orbits vom Pol aus für ein paar Stunden am Tag sichtbar und können für die Kommunikation genutzt werden. Wenige Stunden später bewegen sie sich wieder nach Norden und verschwinden unter dem Horizont. Es ist also keine dauerhafte Kommunikation möglich.
Aktuell werden für die Kommunikation zur Südpolstation drei Satelliten in driftenden Orbits verwendet: das Defence Satellite Communication System (DSCS) des US Militärs, das South Pole TDRSS Relais 2 (SPTR) der US Weltraumbehörde NASA, und das Skynet System des britischen Militärs. Jeder der drei Satelliten ist zu einer anderen Tageszeit sichtbar, wie die untenstehende Grafik zeigt.
Der Zeitplan für die Satellitenkommunikation für heute
DSCS und SPTR haben die größte Bandbreite, zusammen aber immer noch deutlich weniger als ein halbwegs modernes Handy. Dagegen erinnert Skynet mehr an das Modemzeitalter und ist als Internetverbindung praktisch nicht zu gebrauchen. Der größte Teil der Bandbreite ist für den Stationsbetrieb und die Weiterleitung der wissenschaftlichen Daten reserviert. Was dann noch übrig bleibt, kann für private E-Mails und das Surfen im Internet verwendet werden. Bei knapp 150 Personen auf der Station kann man sich ausrechnen, wie langsam die Übertragung wird. Das Abrufen einer einzelnen E-Mail kann dann schon mehrere Minuten dauern.
Es gibt aber noch eine weitere Eigenheit der driftenden Orbits: die Auf- und Untergangszeiten der Satelliten sind nicht synchron mit der lokalen Uhrzeit und verschieben sich im Laufe von Tagen und Wochen. Aktuell beginnt das SPTR-Fenster bereits mitten in der Nacht um 1:30 Uhr und reicht bis kurz nach 6 Uhr morgens. Deshalb gab mir Christopher seinen Laptop bereits um 5 Uhr, damit ich die Bilder für den Bericht hochladen konnte bevor die meisten Personen hier aufstehen und in ihren Mailboxen nachsehen. Das Hochladen der Bilder hat dann auch geklappt.
Noch eine Anmerkung zur Zeitzone: Die Uhren auf der Station sind nach der Zeit in Neuseeland gestellt. Das ist in gewisser Weise willkürlich, da es direkt am Pol keine Lokalzeit gibt. Die Sonne wandert zwar jeden Tag um die Station, steht aber im Verlauf eines Tages immer gleich hoch über dem Horizont. Es gibt also kein „Mittag“, an dem die Sonne am höchsten steht. Man hat sich für die Zeitzone von Neuseeland entschieden, da die meisten Personen über Neuseeland anreisen und die Koordination der Flüge von der Antarktis nach Neuseeland und umgekehrt erleichtert wird.