Beim Frühstück sehen wir gefrierenden Nebel auf uns zukommen; eine weiße Wand, die alles verschluckt und uns Stück für Stück einhüllt. Erst verschwinden die Observatorien in der Ferne, dann die Flaggen, die die Wege dorthin markieren, und der Lagerplatz vor der Station. Schließlich ist alles weiß – oben, unten, ganz gleich in welche Richtung ich schaue. Es beginnen Eiskristalle zu fallen – nicht Schneeflocken, sondern viel kleiner – die allmählich eine dünne weiße Schicht auf der Treppe an der Außenwand der Station hinterlassen. Das ist ein krasser Gegensatz zu dem strahlend blauen Himmel der ersten Tage.

Bild Nebel kommt auf die Station zu Der Nebel kommt auf uns zu und verschluckt den Lagerplatz vor der Station

Das Spektakel dauert vielleicht eine Stunde. Dann verschwindet der Nebel und es wird draußen wieder heller. Aber es tanzen immer noch Eiskristalle in der Luft, nun jedoch weiter oben, und die Sicht zum Horizont ist frei. Die Eiskristalle brechen das Sonnenlicht und formen einen Ring aus Licht um die Sonne. Dazwischen kann ich einzelne Streifen blauen Himmels erahnen. Für Messungen mit unserem Lidar-Instrument reicht das aber nicht. Wir brauchen klaren Himmel um das Teleskop exakt fokussieren zu können.

Bild Eiskristalle bilden einen Ring aus Licht um die Sone Eiskristalle erzeugen einen Lichtkreis um die Sonne

Also machen wir uns an andere Arbeiten. Nach der ersten Messung gestern entdeckten wir Partikel aus der Isolierung unserer Lidar-Box auf dem Teleskopspiegel und den Laseroptiken. Das darf so nicht bleiben, deshalb packt Christopher nun die Isolierung in Plastikfolie ein. Ich mache mich an die Fehlersuche in der Software und versuche mich zu erinnern, wie der Datenfluss durch die einzelnen Subsysteme des Lidar-Betriebssystems ist. CONSCAN ist schon ein recht altes Modul, das wir vor vier oder fünf Jahren schrieben. Ich scrolle Seite um Seite durch den Quelltext und stolpere schließlich über eine Stelle, die überhaupt keinen Sinn ergibt, und ich könnte mir in den Hintern beißen, dass ich damals sowenig dokumentierte. Ich nehme diesen Abschnitt aus dem Quellcode raus, übersetze das Programm, lasse es laufen, und oha, ein Segmentation Fault und Programmabsturz. Irgendetwas muss ich mir bei dem Teil des Programmes damals gedacht haben, sonst hätte ich die Fehler sicher abgefangen. Aber mein Gedächtnis lässt mich im Stich. Das ist immer das Problem, wenn man beim Programmieren versucht clever zu sein. Und die Programmiersprache C macht es einem mit den untypisierten Zeigern auch leicht. Kein Wunder, dass diese bei allen modernen Programmiersprachen verbannt wurden. Diesen Luxus können wir uns jedoch bei der Steuerung des Lidars nicht leisten. Die Steuerung erfordert ein hartes Echtzeitsystem, was bedeutet, dass bestimmte Aufgaben wie zum Beispiel das Auslesen der Elektronik, die die Lichtteilchen zählt, zu bestimmten Zeitpunkten erfolgen muss. Eine Millisekunde zu spät und alles gerät durcheinander. Es kommt also auf Geschwindigkeit an, und hierbei ist die Programmiersprache C immer noch unschlagbar. Schließlich fällt mir doch noch ein, was es mit der Stelle im Quellcode auf sich hat. Ich hatte einen Zeiger bewusst überlaufen lassen um auf einen Marker im dahinter liegenden Datenblock des nächsten Laserpulses zugreifen zu können. Autsch. Das funktioniert so lange gut wie man die Länge der Datenblöcke nicht ändert. Aber unser Lidar hier hat nun fünf Empfangskanäle und nicht vier wie sein Vorgänger. Es dauert eine Weile um den Zugriff auf den Datenblock „richtig“ zu machen und dann läuft das Programm auch so, wie es soll.

Als nächstes machen wir uns an einen Elektronikeinschub. Wir wollen zwei weitere Temperatursensoren anschließen, stellen dann jedoch fest, dass wir keine passenden Stecker dabeihaben. Also löte ich die Kabel direkt auf die Platine.

Bild Elektronik Ein paar Kabel müssen auf die Mikrocontroller-Platine gelötet werden

Um vier Uhr ist dann für mich Hausmaus-Dienst (englisch: House Mouse). Das bedeutet ich und zwei Kollegen sind heute mit dem Putzen der Badezimmer und Toiletten dran. Auf der Station muss jeder mithelfen, damit der Betrieb klappt, und dabei wird nicht zwischen Stationsleitung, Mechaniker oder Wissenschaftler unterschieben. Auf der Davis-Station hieß diese Person „Slushy“ und man war in erster Linie einen Tag lang als Küchenhilfe tätig. Das Putzen erfolgte dann immer abends. Hier auf der Südpolstation gibt es jedoch professionelle Küchenhilfen und Reinigungskräfte. Daher beschränkt sich der Hausmaus-Dienst auf das Putzen der Badezimmer, was in weniger als einer Stunde erledigt ist.

Nach dem Abendessen treffen wir uns in der Turnhalle und spielen Volleyball. Richtig, es gibt hier eine Turnhalle von stattlicher Größe, wenngleich die Decke auch etwas niedrig ist. Ich hatte seit 20 Jahren nicht mehr gespielt, aber es macht wieder Spaß. Und das Spielen ist unglaublich anstrengend. Ich schnaufe wie eine Dampflock und komme mir unter den jüngeren Mitspielern unglaublich alt vor. Dass die Mitspieler in dieser Höhe auch nach Luft schnappen, beruhigt nur ein wenig.

Bild die Turnhalle der Station In der Turnhalle der Station spielen wir Volleyball

Später trifft eine LC130 aus McMurdo ein. Mit an Bord sind Dominique und Yucheng, die beiden Kollegen von der Utah State Universität. Ich treffe sie ganz kurz (wieder mit Maske) bevor sie in Isolation gehen. In McMurdo gab es in den letzten Tagen zahlreiche Infektionsfälle und die Sorge vor einem erneuten Ausbruch hier auf der Station so kurz vor Schließung des Sommerbetriebes ist natürlich groß. Also halte ich großen Abstand und wir rufen uns über den Gang nur ein paar Worte zu. Dann sind sie in ihren Zimmern verschwunden und ich werde sie erst in fünf Tagen wiedersehen.