Mehr Lidartests
Das Wetter ist einigermaßen klar heute mit nur wenigen kleinen Wolken über uns und etwas mehr Wolken am Horizont. Die Temperatur liegt immer noch bei etwa -35°C und ändert sich nur wenig über den Tag hinweg. Ein Vergleich der letzten Lidarmessungen mit Lidarmessungen des CORAL-Instruments in Südamerika zeigt, dass uns immer noch Signal fehlt. Zunächst schieben wir es auf Vibrationen des Gebäudes, die den Laserstrahl aus dem Sichtfeld des Teleskops kippen lassen. Also bocken wir das Gestell des Lidars auf und stellen es auf kleine Gummimatten, die hoffentlich die Übertragung der Schwingungen auf das Lidar etwas reduzieren werden. Bevor wir einen nächsten Test machen können, müssen wir erst einmal wieder warten, bis das Teleskop abgekühlt ist. Denn ein warmer Teleskopspiegel wärmt die Luft darüber auf, und wärmere Luft bedeutet eine geringere Luftdichte. Dichteunterschiede in der Luft haben die gleiche Wirkung wie Linsen, das heißt die Lichtstrahlen werden auf ihrem Weg durch die zunächst warme und dann kältere Luft geringfügig abgelenkt. Was bedeutet hier ein „geringfügig“? Nun, das Sichtfeld unseres Teleskops hat in 100 Kilometern Höhe einen Durchmesser von etwa 30 Metern, der Laserstrahl selbst misst dort oben jedoch schon ungefähr 20 Meter. Wenn der Laserstrahl im Sichtfeld zentriert ist, bleiben demnach auf beiden Seiten noch ca. 5 Meter Toleranz bevor wir Signal verlieren. Das bedeutet, wir müssen mit dem Laserstrahl ein Ziel von der Größe eines Autos in 100 Kilometern Entfernung treffen. Da bleibt nicht mehr viel Raum für Fehler. Und ein Temperaturunterschied von 30 Grad oder mehr zwischen dem Teleskopspiegel und der Luft bedeutet in diesem Zusammenhang einen großen Fehler.
Nach zwei Stunden beginnen wir mit den Tests. Der scheinbare Strahldurchmesser des Laserstrahls – wir können diesen durch Abrastern des Teleskopsichtfeldes mit dem Laserstrahl bestimmen – scheint etwas kleiner, die Gummimatten helfen also. Aber die automatische Nachregelung der Strahlposition mit CONSCAN klappt nach wie vor nicht so recht. Der Computer schickt zwar Kommandos an einen beweglichen Laserspiegel zur Korrektur der Strahlposition, aber ich habe den Verdacht, dass der Spiegel zu langsam reagiert. Wir bauen also die Elektronik aus und messen die Spannungen, welche den Spiegel steuern, mit einem Oszilloskop. Und siehe da, die Spannung baut sich zu langsam auf – die Zeitkonstante des Rampengenerators ist falsch. Das ist wieder etwas, was wir vor dem Verschicken in die Antarktis nicht mehr richtig testen konnten, weil die Hardware zu spät fertig wurde. Die Spannungssignale werden von einem programmierbaren Logikbaustein, einem FPGA, erzeugt. Viele Parameter können wir per Software einstellen, nur die Zeitkonstante nicht. Wir müssen also das FPGA neu programmieren. Dazu verwenden wir normalerweise die Software Labview, die wir allerdings auf unseren Reiselaptops nicht dabeihaben, und die hier auch nicht funktionieren würde, weil sie bei jedem Start eine Lizenz aus dem Internet lädt. Ohne die Lizenz verweigert sie ihren Dienst. Ich kann also nicht einmal den Quellcode hier anschauen geschweige denn die Zeitkonstante ändern. Es bleibt nur ein Weg: Natalie muss den Code für das FPGA zu Hause auf meinem Laptop ändern und mir dann die Dateien schicken, damit ich sie hier einspielen kann. Ich schreibe schnell eine Email mit Instruktionen an Natalie – in 20 Minuten sind der Satellit und damit die Möglichkeit Nachrichten zu verschicken wieder weg. Die Antwort wird erst im nächsten Satellitenzeitfenster um kurz vor 1 Uhr in der Nacht kommen.
Bis zum Mittagessen machen wir weitere Tests mit CONSCAN. Dann fällt unser Augenmerk auf die Temperaturmessungen am Teleskop. Obwohl die Luke nun schon mehrere Stunden offen ist und damit das Teleskop der Luft außerhalb des Gebäudes ausgesetzt ist, kühlt das Teleskop nicht unter -10 Grad ab – bei -34 Grad Außentemperatur. Irgendetwas heizt unser Teleskop. Zunächst haben wir die dicken Schrauben aus Edelstahl, auf denen das Teleskop steht und die Kontakt zu dem warmen Rahmen darunter haben, in Verdacht. Eigentlich hätten wärmeisolierende Scheiben aus PEEK (das ist ein Kunststoff) dazwischen gehört, aber wie so Manches sind die Scheiben in der Hektik der Vorbereitungen vor der Abreise untergegangen. Ich bin nicht wirklich davon überzeugt, dass die Schrauben ein großes Problem darstellen (Edelstahl leitet die Wärme schlecht), aber ansonsten fällt uns nichts ein. Wir haben leider auch nur zwei Temperatursensoren hier und können damit auch nur an zwei Punkten die Temperatur des Teleskops messen. Alles Weitere müssen wir schätzen.
Beim Abendessen hören wir, dass die am Nachmittag bei uns gestartete Hercules auf dem Weg nach McMurdo umkehren musste, weil das Wetter für eine Landung dort zu schlecht ist. Solch ein „Boomerang“ ist selten und für die Flugzeuge auch nicht ganz ungefährlich, denn die tiefen Temperaturen hier am Pol können die Flugzeuge beschädigen. Normalerweise fliegen die Flugzeuge sofort wieder zurück nach McMurdo, wo es deutlich wärmer ist. Morgen soll mit einer weiteren Hercules eine neue Crew kommen und das Flugzeug zurückfliegen. Jedenfalls können wir nach dem Abendessen wieder die Kollegen bei uns begrüßen, die wir vor ein paar Stunden verabschiedeten.
Den Abendvortrag in der Kantine für diese Woche hält Hannah, unsere Stationsleiterin, über ihre Abenteuer in der Antarktis und Arktis. Sie ist mehrmals mit Skiern von der Küste der Antarktis zum Pol gelaufen und hatte über viele Jahre den Geschwindigkeitsrekord inne. Auf dem Weg zum Nordpol scheiterte sie jedoch mehrfach.
Nach dem Vortrag machen wir noch einen kurzen Test mit dem Lidar. Die Temperatur des Teleskops ist jedoch nicht unter -12 Grad gesunken und wir vermuten Konvektion über dem Teleskop als Ursache für den „herumwackelnden“ Laserstrahl. Ich überlege noch ob ich die zwei Stunden bis zum Satellitenzeitfenster schlafen oder wachbleiben soll. Meine innere Uhr ist schon durcheinander und ich entscheide mich für wachbleiben. Morgen werde ich es bereuen.