Der Wecker klingelt um 7:30 Uhr. Beim Aufstehen brummt mein Schädel, was eigentlich nur zwei Dinge bedeuten kann: zu wenig Schlaf und zu wenig getrunken. Mein ständiger Begleiter auf der Station, meine Wasserflasche, steht auf dem kleinen Schreibtisch. Aber die Flasche ist leer. Auf dem Weg zum Wasserbrunnen an der Ecke des Flures überlege ich, wann ich zuletzt auf Toilette war. Man muss seinen Wasserhaushalt im Blick behalten, denn der Körper verliert hier durch die Trockenheit und die Höhe extrem viel Wasser. Ich verspüre keinen Durst, aber ich zwinge mich einen Liter zu trinken. Und dann noch einen. Nachdem ich die Flasche ein drittes Mal gefüllt habe, gehe ich ins Bad für die übliche „Katzenwäsche“ – Duschen ist erst morgen wieder dran.

Mit dem Bauch voller Wasser verzichte ich erst einmal auf ein Frühstück und gehe geradewegs ins Labor. Nachdem mein Laptop wegen fehlender Updates nach wie vor nicht an das Netzwerk darf, ist der Computer im Labor meine einzige Möglichkeit, Mails abzurufen. Ich hatte heute Nacht schon ein paar Stunden im Labor verbracht, denn nur der während des Satellitenzeitfensters in der Nacht ist die Bandbreite ausreichen um größere Dateien aus dem Internet herunterzuladen. Natalie schickte die Datei mit dem geänderten Labview-Programm für die Elektronik des Lidars. Sie hat einen Schalter, mit dem sich der Rampengenerator überbrücken lässt, eingebaut, was hoffentlich das Problem mit CONSCAN temporär löst. Frohen Mutes spiele ich die neue Software auf, aber ich habe mich zu früh gefreut. Die neue Software läuft zwar problemlos, die Kommunikation mit dem FPGA, einem programmierbaren Logikbaustein, klappt jedoch nicht. Genaugenommen funktioniert gar nichts mehr und das Lidar startet nicht. Auch wenn wir an dem FPGA-Code nichts änderten, so hat Labview beim Übersetzen des Programms etwas an den Schnittstellendefinitionen geändert. Ich unterdrücke einen Fluch, was aber nicht verhindert, dass sich meine Animosität gegenüber Labview in das fast Unendliche steigert. Wenigstens hatte ich meine Lektionen aus früheren Jahren der Labview-Programmierung nicht ganz vergessen und vor dem Aufspielen der neuen Software eine Sicherheitskopie gemacht. Ich spiele also wieder die alte Software auf und stelle mit Erleichterung fest, dass das Lidar wieder startet. Ein Problem nicht zu lösen ist eine Sache, mehr kaputt zu machen jedoch eine andere. Ich schreibe Natalie, dass ich auch noch die Datei mit einem neuübersetzten FPGA-Code benötige, gefolgt von Instruktionen zum Übersetzen des Codes und den notwendigen Änderungen. Dann schalte ich alles aus und gehe ins Bett.

Bild Kantine Ein Auschnitt aus dem Labview-Code, welcher das Rampensignal für die Ansteuerung des beweglichen Spiegels im Laser erzeugt

Nun zurück zu meinem Nicht-Frühstück und meinem erneuten Versuch, das Labview-Programm in der Lidar-Elektronik zu aktualisieren. Während ich die paar Stunden schlief, hat Natalie die Programme modifiziert und neue Dateien auf unserem Server in Deutschland abgelegt. Insgesamt sind das etwa 8 Megabyte. Ich starte den Download und schaue besorgt auf die Intranetseite mit den Satelliteninformationen. Das aktuelle Zeitfenster schließt sich bereits um 9 Uhr, da anschließend Test mit dem Satelliten geplant sind und dieser dann nicht mehr für die Kommunikation zur Verfügung steht. Das wird knapp. Drei Minuten vor Internet-Ende ist der Download fertig und ich schreibe Natalie noch schnell, dass ich zum Start des nächsten Satellitenzeitfensters um 1 Uhr in der Nacht (13 Uhr deutsche Zeit) mich wieder melden werde. Mit dem neuen Programm und dem neuen FPGA-Code klappt die Aktualisierung der Lidar-Elektronik und wir können nun den Rampengenerator endlich überbrücken. In den nächsten Stunden machen wir weitere Tests mit dem Lidar. Der bewegliche Spiegel im Laser reagiert nun wesentlich schneller auf neue Kommandos und es gelingt uns, den Laserstrahl mit CONSCAN im Sichtfeld des Teleskops zu halten, wenngleich auch nicht so gut wie erwartet. Immerhin ein Fortschritt. Mehr Sorgen bereitet uns die Entdeckung, dass warme Luft in unsere Lidar-Box eindringt. Offensichtlich arbeitet die Gebäudeheizung mit Überdruck, und wenn man nun ein Loch ins Dach sägt, dann strömt dort die warme Luft nach draußen. Die Lidar-Box ist zwar einigermaßen dicht aber nicht hermetisch dicht. Die verbliebenen kleinen Spalte reichen aus, dass genügend warme Luft eindringt und unser Teleskop heizt. An Überdruck im Gebäude hatte bei den Planungen des Projektes niemand gedacht. Wir waren stattdessen mehr darum besorgt, dass wir das Laserfenster gegen die Kälte heizen müssen. Dass wir unser Teleskop nicht kalt genug bekommen, daran haben wir nicht mal im Traum gedacht.

Wir gehen eine mögliche Lösung des Problems pragmatisch and und setzen das allbekannte Allzweckmittel ein: Klebeband. Das gibt es hier in rauen Mengen. Christopher und ich kleben also alle Spalte zwischen den Styrodurplatten der Isolierung ab. Die Öffnung an der Türe dichten wir zusätzlich mit einem aufgeschnittenen Müllbeutel und noch mehr Klebeband ab. Dann öffnen wir die Dachluke und schauen gespannt auf die Anzeigen mit den Temperaturmesswerten. Wir können gleich erkennen, dass sich die Luft in der Lidar-Box nun deutlich schneller abkühlt und auch die Temperatur des Teleskops scheint nun schneller zu sinken. Um sicherzugehen müssen wir jedoch ein paar Stunden warten. Ich beschäftige mich derweil mit Verbesserungen der Software – diesmal nicht die Steuerung der Elektronik betreffend, sondern die Anzeige der Messdaten. Gegen Abend ist die Temperatur des Teleskops auf -18 Grad gefallen – so kalt war das Teleskop noch nie – und wir starten das Lidar. Der Strahl scheint nun viel stabiler im Sichtfeld des Teleskops zu bleiben und das Lidarsignal ist nun auch etwas höher. Was für ein Erfolg nach den letzten Tagen mit Rätselraten! In der Euphorie vergesse ich sogar meinen Hausmaus-Dienst und komme zu spät; die Kollegen nehmen es zum Glück jedoch gelassen.

Bild Kantine
Christopher beim Anbringen der Folie an unsere Lidar-Box. Der Überdruck im Inneren des Gebäudes hält die Folie straff.

Sonst ist nicht viel auf der Station passiert. Für heute wurden wieder alle Flüge wegen schlechten Wetters abgesagt und die LC130 Hercules steht immer noch am Rande des Flugfeldes geparkt. Nach dem Abendessen mache ich nochmals Tests mit dem Lidar, gehe diesmal dann jedoch die zwei Stunden bis zum Satellitenzeitfenster schlafen.