Leben auf der Station
Das Leben auf der Station heutzutage hat mit den früheren Antarktisstation nicht mehr viel gemein. In vielen Bereichen gleicht der Aufenthalt hier dem Aufenthalt in einer großen Jugendherberge oder einem Hotel mit einem Unterschied, nämlich dass sich Leben und Arbeit größtenteils im selben Gebäude abspielen. Es gibt Einzelzimmer für die Stationsbewohner (und auch Doppelzimmer für Paare), das Wasser kommt aus dem Wasserhahn, wir werden bekocht, es gibt WIFI Internet, Sportmöglichkeiten, eine Sauna, ein Musikzimmer und diverse andere Angebote für Freizeitaktivitäten.
Der wichtigste soziale Treffpunkt ist die Kantine. Es gibt hier dreimal am Tag warmes Essen, von 6-8 Uhr Frühstück, 11-13 Uhr Mittagessen und 17-19 Uhr Abendessen, und für Schichtarbeiter steht ein Kühlschrank mit vorgekochtem Essen zum Aufwärmen bereit. Hier trifft man sich in der Regel dreimal am Tag und tauscht sich über die Arbeit aus oder redet über belanglose Dinge. Bei mehr als 100 Bewohnern gibt es genügend Möglichkeiten um neue Leute kennenzulernen und man trifft nicht jeden Tag immer die gleichen Gesichter. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu den kleineren Stationen. Zum Vergleich: Bei der Überwinterung auf Davis waren wir nur 23 Personen. Bei solch einem kleinen Personenkreis ist das soziale Gefüge zwar deutlich ausgeprägter, aber oft auch problematischer.
Die Kantine der Station ist der soziale Treffpunkt
Die Station ist als zweistöckiges Gebäude mit zwei langen übereinanderliegenden Fluren gebaut. An den Enden sowie an zwei Stellen dazwischen gibt es Treppen. Die Flure sind der zentrale Verbindungsweg, von hier gehen alle Einrichtungen ab. Auf der Südseite sind das im Wesentlichen die Schlafbereiche (genannt „Berthings“) und auf der Nordseite die technischen Einrichtungen. Mein Zimmer ist in A1 (2. Stock) im südöstlichen Gebäudeflügel. Wenn man die Berthings verlässt und auf den Flur tritt, befindet sich auf der rechten Seite die Kantine. Links den Flur entlang befinden sich als nächstes die Klinik, der Computerraum, das große Labor und schließlich der Administrationsbereich mit Büros für die Stationsleitung, dem Repräsentanten der NSF, der wissenschaftlichen Leitung und noch ein paar anderen, sowie zwei große Konferenzräume, und schließlich ganz in der nord-west Ecke die Kommunikationszentrale.
Der Flur im 2. Stock. Diese buten Karos an der Wand sind etwas gewöhnungsbedürftig
Der Flur im 1. Stock
Im 1. Stock folgen von Westen nach Osten die B3-Lounge, technische Einrichtungen, ein Handarbeitsraum, ein Lesezimmer, der Waschsalon, das Gewächshaus, ein kleiner Laden mit Dingen für den täglichen Bedarf, das Postamt, der Müll-/Recycle-Raum und die Sauna. Dazu kommen noch im B4 Gebäudeflügel (Südosten) die Turnhalle, der Fitnessraum, und das Musikzimmer. Im B1-Gebäudeflügel daneben befindet sich unten das Notfallkraftwerk und darüber die TV-Lounge und ein Aufenthaltsraum/Spielezimmer. Man merkt schon beim Aufzählen, dass die Südpolstation eine große und moderne Station ist – auf Davis hatten wir lediglich einen etwas größeren Aufenthaltsraum mit einer abgetrennten Kinoecke.
Der große Aufenthaltsraum mit Billardtisch und Sofas
Das TV-Zimmer
Hier kommt die Post an. Dahinter befindet sich der kleine Laden mit dem Postamt
Der Ausbau der Station mit Freizeiteinrichtungen und anderen Annehmlichkeiten folgt einem Konzept. Wahren die Stationsbewohner früher in der Regel breit ausgebildete Wissenschaftler und Ingenieure mit Interesse an der Antarktisforschung oder Militärangehörige, so werden heute viele Jobs von Spezialisten ausgeführt. Um diese Spezialisten (z.B. im Bereich im Gebäudemanagement oder IT-Technik) anzulocken, muss ein gewisser Standard geboten werden. Umgekehrt bedeutet das auch, dass viele der Leute hier vor Ort in erster Linie Wegen dem Job hier sind und nicht weil sie in die Antarktis reisen wollen. Das hat auf der einen Seite Vorteile – man hat wirklich Spezialisten für die Tätigkeiten vor Ort – auf der anderen Seite aber auch Nachteile. Man muss in der Isolation hier auch leben wollen, und ja, die Isolation kann auch zur Belastung werden. Nicht jeder ist dafür geschaffen, und so kommt es auch durchaus vor, dass eine nicht so ganz kleine Zahl der Spezialisten vorzeitig nach Hause geschickt wird. Andere wiederum halten aus, zählen aber die Tage bis zur Abreise. Das trifft natürlich in gewisser Weise auch auf die Wissenschaftler zu. Ich würde jedoch behaupten, dass der Großteil der Wissenschaftler intrinsisch über die eigene wissenschaftliche Arbeit motiviert ist, was zumindest für die Leute, die ich kenne, doch wesentlich mehr als „nur ein Job“ ist. Diese Motivation trägt dann auch nicht unwesentlich zu einer erhöhten Frustrationstoleranz bezüglich aller Widrigkeiten, die ein Leben auf der Station mit sich bringt, bei, die man sonnst vielleicht nicht so hat.