Mit einem fliegenden Haus nach Christchurch
Es bleibt bei unserem Rückflug nach Christchurch heute. Der Monitor vor dem Eingang zur Kantine zeigt nun die Abfahrtszeit von Gebäude 140 um 12:30 Uhr an – unser Flugzeug, ein C-17 Transportflugzeug der US Luftwaffe, ist offensichtlich bereits in Christchurch gestartet. Ich bin erleichtert.
Die Computer im Computerraum verweigern die Anmeldung. Also keine Berichte heute und auch keine Email an Natalie. Ich laufe noch ein wenig durch die Station, hole Essen für den Flug aus der Kantine – es gibt nur abgepackte Pizzastücke – und packe meine Sachen. Vor Gebäude 140 treffe ich Yucheng und Dominique, und dann Christopher. Wir reden noch eine Weile und spekulieren, dass unser nächstes Treffen entweder in Rio Grande (Argentinien) oder wieder am Südpol sein wird. Dann wünschen wir uns Glück und besteigen unseren Bus raus aufs Eis zum Flugfeld. Es ist nicht wirklich ein Bus, sondern ein roter Tieflader mit einem Container und Sitzen darin. Die Türen sehen aus wie die Schotten in einem U-Boot. Die Fahrt dauert wieder fast eine Stunde, zuerst den Berg hoch, dann an der neuseeländischen Scott-Station vorbei und schließlich weiter auf dem Meereis. Ich bin in Gedanken versunken, aber worüber ich nachdenke, weiß ich später nicht mehr.
Warten auf den Bus zum Flughafen
Unser „Bus“
Am Flugfeld angekommen treffen wir auf eine Gruppe Italiener, die ebenfalls mit uns zurückfliegen. Insgesamt sind wir etwa 150 Personen. Es gibt ein kleines Aufenthaltsgebäude am Flughafen – ein paar zusammengezimmerte Container – mit Pizza drinnen, aber unser Fahrer sagt uns, dass die Pizza für die Italiener sei. Zu Beginn der Saison sind ein paar US-Flugzeuge ausgefallen und die Italiener haben mit ihren Flugzeugen ausgeholfen. Und nun bekommen sie zum Dank amerikanische Pizza. Okay.
Wir stehen in Gruppen auf dem Eis vor den Containern und unterhalten uns. Dann taucht die C-17, ein großes Transportflugzeug der US Luftwaffe, am Horizont auf und landet ein paar 100 Meter von uns entfernt auf dem Eis. Ein großer Stapler eilt zum Flugzeug und die frostempfindliche Ladung wird sofort an Ort und Stelle ausgeladen und nach McMurdo transportiert. Ob sie die einstündige Fahrt auf dem LKW übersteht, kann ich nicht sagen. Dann dreht das Flugzeug um und rollt mit offener Ladeluke zum „Terminal“.
Wir warten noch fast zwei Stunden bis zunächst alle verbliebenen Frachtpaletten ausgeladen und dann die neuen Paletten ins Flugzeug eingeladen sind. Währenddessen wird das Flugzeug aufgetankt. Dann dürfen wir an Bord. Im Vergleich zu den Hercules ist die C-17 geradezu riesig und modern. Der Frachtraum ist um die 30 Meter lang, sechs oder sieben Meter hoch, und es passen zwei Paletten nebeneinander hinein. Der größte Teil des Frachtraumes ist mit Sitzen ausgefüllt, an den Wänden entlang und zwei Reihen in der Mitte. Ich suche mir einen Platz weit hinten an der Wand, denn von dort aus habe ich einen guten Überblick. Fenster gibt es leider keine – dafür eine Lautsprecheranlage, über die ein gut gelaunter Soldat uns begrüßt und uns mit den Sicherheitseinrichtungen, Schwimmweste und Sauerstoffhaube, vertraut macht. Und es gibt noch einen wesentlichen Vorzug gegenüber den Hercules: eine richtige Toilette.
Die letzten Paletten werden in das Flugzeug eingeladen
Wir dürfen an Bord
Eine lachende Soldatin bringt uns Ohrstöpsel und zeigt uns nochmals die Rettungshauben. Es herrscht eine beinahe gelöste Atmosphäre. Dann werden die restlichen Frachtstücke von der Crew routiniert mit Gurten auf dem Boden des Frachtraums verzurrt und wenig später rollen wir auch schon los. Es gibt keinen langen Taxi-Weg oder das Warten auf die Startfreigabe. Wenn ein Flugzeug bereit ist, fliegt es los. So einfach ist das.
Es überrascht mich jedes Mal wie schnell die Militärflugzeuge beschleunigen und wie steil wir in der Luft hochsteigen. Normale Linienmaschinen sind dagegen träge wie ein Walross. Wenig später gehen wir in eine Steilkurve und werden in unsere Sitze gepresst, während das Flugzeug dreht und Kurs Richtung Norden nimmt. Wir schälen uns aus unserer Antarktiskleidung und machen es uns soweit wie möglich bequem. Hinten spannen die Soldaten eine Hängematte auf und der Crew Chief legt sich darin schlafen. Auch ich döse in meinem Sitz vor mich hin.
Der Frachtraum einer C-17 ist riesig im Vergleich zur Hercules
Die C-17 ist mit ihren Jet-Triebwerken wesentlich schneller als die kleineren Hercules mit den Tubroprops und so erreichen wir Christchurch schon nach etwas mehr als fünf Stunden Flugzeit. Wir setzen sehr sanft, ja fast kaum merklich auf der Landebahn auf. Entweder sind Militärpiloten wirklich viel besser im Fliegen oder etwas stimmt mit den Linienmaschinen nicht. Da rumst es immer gehörig wenn das Flugzeug auf die Landebahn kracht. Während wir noch zur Parkposition rollen, öffnen die Soldaten die große Heckklappe am Ende des Flugzeuges und feuchte warme Luft strömt zu uns herein. Die Luft riecht und fühlt sich so anders an. Und noch etwas ist anders: zum ersten Mal seit Wochen ist es wieder dunkel draußen.
Die Heckklappe öffnet sich und es ist dunkel draußen
Wir müssen noch warten bis ein Zollbeamter vorbei kommt und die die Zolldokumente für das Flugzeug abstempelt. Dann dürfen wir nach draußen und werden mit einem Bus zum Terminal gefahren. Es folgt das übliche Prozedere: Einreise mit Passkontrolle und Gepäckabholung. Wir schnappen uns Trolleys und laufen die kurze Stecke zum CDC, dem Clothing Distribution Center. Der Chef, ein kleiner freundlicher Neuseeländer, erwartet und bereits gut gelaunt und begrüßt jeden. Wir legen unsere geliehene Extremwetterkleidung auf einen riesigen Haufen und werden schließlich von einem Shuttle zum Hotel gebracht. Es ist schon nach Mitternacht als wir ankommen, aber die Nacht fühlt sich wunderbar an: feucht, warum und dunkel.