Es wird besser. Beim Aufstehen meldet sich wieder ein dumpfer Kopfschmerz, die Intensität hat aber deutlich nachgelassen. Als erste Aktion trinke ich die Flasche Wasser, die ich gestern bereitstellte. Das wird das Morgenritual für die Zeit auf der Station und ist das beste Mittel gegen Kopfschmerzen. Tagsüber kann man zwischendurch genügend trinken, aber während dem Schlafen trocknet der Körper aus. Dann folgen der Rest der Morgenroutine und das Frühstück in der Kantine. Hier wird im Schichtbetrieb gearbeitet. Während ich frühstücke wird in der Küche für die Nachschicht das Abendessen zubereitet.

Ich bin erst in den frühen Morgenstunden eingeschlafen und mit dem Frühstück nun spät dran. Fast alle Bewohner der Station haben in den ersten Wochen mit Schlafproblemen zu kämpfen. Zum einen liegt das vermutlich am fehlenden Tag-Nachtrhythmus, zum anderen an der geringen Luftdichte, die den Köper in Alarmstimmung hält. Aus Erfahrung weiß ich, dass ich nicht zu der Gruppe der Glücklichen gehöre, und das für den Rest meines Aufenthalts vermutlich so bleiben wird.

Nach dem Frühstück gehe ich ins B2-Labor, in dem oben auf der Galerie unser Lidar-Instrument sitzt. Dominique und Yucheng sind bereits bei der Arbeit an ihren Kamerasystemen neben unserem Lidar. Vor etwa 1,5 Jahren hatte ein Feuer ihre Instrumente zerstört und nun müssen sie erst einmal die beschädigten Teile entfernen und einen neuen Dom installieren.

Ich mache mich an die Arbeit, das Teleskop von unserem Lidar abzubauen. Nach dem Feuer wurden die Brandschutzbestimmungen auf der Station verschärft, und als Folge davon muss nun die Box, in der das Teleskop steht, mit Blech ausgekleidet werden. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass unser Lidar einen Brand auslösen könnte, aber ich kann die Bedenken nachvollziehen. Unser Teleskop steht in einer isolierten und luftdichten Box. Sollte dort ein Feuer entstehen, wird es erst sehr spät bemerkt werden, noch später als bei Dominiques und Yuchengs Instrumenten, mit potentiell drastischen Folgen für die Station. Dennoch gefällt es mir nicht. Es ist viel Arbeit, das Teleskop wiederaufzubauen und einzujustieren. Vor zwei Jahren konnten Christopher und ich das zu zweit machen, doch diesmal bin ich allein.

Es hilft nichts. Mit dem Teleskop drinnen ist es in der Box so eng, dass es unmöglich ist, die Bleche zu installieren. Also beginne ich damit, die Laserspiegel abzuschrauben. Damit ist die Justage verloren und es gibt keinen Grund mehr, das Teleskop stehen zu lassen. Stück für Stück schraube ich ein Teil nach dem anderen ab und lege es zur Seite. Dann kommt der schwere 71 cm durchmessende Glasspiegel. Dominique hilft mir dabei ihn herauszuheben. Schließlich ist noch die 40 kg schwere Trägerplatte, auf der normalerweise der Spiegel liegt und der Rest der Teleskopstruktur befestigt ist, übrig. Wir bauen aus einer Leiter und einem massiven Kleiderständer einen Galgen, mit dessen Hilfe wir die Platte anheben können. Das hätte sicherlich ein interessantes Bild ergeben, aber es war keine Hand frei für ein Foto.

Teleskop Auf dem linken Bild sieht man den unteren Teil des Teleskops in der Box, auf dem Rechnten Bild ist das Teleskop ausgebaut.

Nachdem das Teleskop komplett raus ist, beginne ich mit dem Ausbau des Laserfensters in einem der Seitenwände der Box. Durch dieses Fenster gelangt der Laserstrahl nach innen zum Teleskop. Die Konstruktion besteht im Wesentlichen aus einem Tubus aus Edelstahl, an dessen Enden jeweils ein Flansch mit einer Glasscheibe sitzt. Der Zwischenraum ist zur Isolation mit Xenon gefüllt. Ich entferne die Schrauben, welche das Fenster in der Wand halten, kann das Fenster aber nicht herausziehen: der Zwischenraum zwischen der Wand und dem Laser ist zu klein. Mir bleibt nichts anderes übrig, als auch den Laser auszubauen. Nun gut, es hat keinen Sinn sich zu ärgern. Zuerst ist nun aber Zeit für das Abendessen.

Laser Das orange-grüne Teil vor der Holzwand ist das Laserfenster, links daneben der Laser

Morgen ist hier auf der Station Thanksgiving, nach Mittwinter der zweithöchste Feiertag im Jahr. Beim Abendessen sind die Kollegen in Feierlaune, und später findet in der Turnhalle Karaoke statt. Ich gehe wieder ins Labor um mit dem Laser weiterzumachen. Ich möchte zumindest das Fenster heute noch herausbekommen. Als das geschafft ist, entschließe ich mich vor dem Schlafen für einen kurzen Spaziergang nach draußen. Umgezogen öffne ich die schwere Türe von Destination Zulu, dem Hauteingang der Station, und werde sofort geblendet. Höchste Zeit für die Sonnenbrille. Draußen herrschen -37°C und nur 10 Knoten Wind, die gefühlte Temperatur liegt damit bei -50°C. Für die Verhältnisse hier vergleichsweise angenehm mild. Ich laufe als erstes zum geographischen Südpol, der nur etwa 100 Meter von der Station entfernt liegt. Dann geht es weiter einmal um die Station herum zum zeremoniellen Südpol auf der Rückseite, und schließlich wieder zurück zu Destination Zulu.

Teleskop Die Markierung des geographischen Südpols. Das Eis und die Station darauf bewegen sich um ungefähr 7 Meter pro Jahr. Einmal im Jahr wird die Position neu bestimmt und die Markierung versetzt.

Teleskop Der zeremonielle Südpol mit der Station im Hintergrund