Eine Woche am Pol
Ich bin nun eine Woche auf der Station und so langsam passt sich mein Köper an die Umgebung an. Die Kopfschmerzen sind größtenteils weg und beschränken sich auf die Zeit nach dem Aufstehen. Es gilt die Balance zu finden vor dem Schlafengehen genügend zu trinken, um den Kopfschmerzen beim Aufstehen zu entgehen, und andererseits auch nicht zu viel zu trinken, dass man nachts auf Toilette muss. Mein Ruhepuls ist auch ruhiger geworden. Beim Treppensteigen merkt man zwar den geringeren Sauerstoffgehalt der Luft, aber ansonsten fühlt es sich wieder normal an. Es erstaunt mich immer wieder, wie anpassungsfähig der Körper ist.
Mit meiner Arbeit geht es gut voran, wenn auch manche Dinge nicht ganz so reibungslos klappen. Beim Montieren der neuen Heizungen auf die Trägerplatte des Teleskops passen die vorgesehenen Halterungen nicht. Es sind Schrauben auf der Trägerplatte im Weg, die so nicht im CAD-Modell enthalten waren, als ich die Heizungen konstruierte, und insgesamt ist es auch zu eng. Die Heizung steht an der Wand der Teleskop-Box an, was natürlich nicht sein darf. Es hilft nichts, ich muss neue Halterungen brauen. Nun bin ich froh darüber, zusätzliche Winkelprofile aus Aluminium mitgenommen zu haben. Ich beginne, die benötigten Ausschnitte in die Profile zu feilen und stelle schnell fest, dass es sich bei dem Material um hochfestes Aluminium handelt. Das wird lange dauern. Nun denn, irgendetwas sinnvolles muss man ja mit den viele Kalorien aus den drei warmen Mahlzeiten am Tag anfangen. Wenig später sitze ich im T-Shirt da, mir ist heiß und die Arme schmerzen. Dann ist der erste Teil geschafft. Noch schnell neue Gewinde in die Kühlkörper der Heizungen schneiden, Löcher in die Winkelprofile bohren und alles auf die Trägerplatte schrauben. Fertig.
Bau einer neuen Halterung für die Teleskopheizung
Zwischendurch kommt der Schreiner vorbei und nimmt Maß an der Teleskopbox. Er wird die Bleche für die feuerhemmende Innenauskleidung der Box zurechtschneiden, biegen und einbauen. Auch das ist nicht so ganz einfach, denn ein Kabelkanal steht an der Rückwand hervor und muss umbaut werden. Zudem sind diverse Ausschnitte für das Laserfenster, für Kabeldurchführungen und für die Schrauben zur Befestigung der Trägerplatte notwendig. Ich hoffe, er braucht dafür nicht wirklich die von ihm geschätzte eine Woche. In genau einer Woche war mein Rückflug nach McMurdo geplant. Nachdem wir 8 Tage verspätet hier angekommen sind, ist schon klar, dass ich länger bleiben werden muss. Aber viel Zeit nach hinten ist nicht. Der letzte Flug aus McMurdo nach Christchurch vor der Flugpause ist am 20. Dezember. Und ich muss vorher noch vom Pol nach McMurdo kommen.
Immerhin schafft es heute ein Flugzeug von McMurdo zu uns her und wieder zurück, der erste Flug seit wir vor einer Woche hier angekommen sind. Es ist noch ein zweiter Flug für die Nacht angekündigt, aber dieser wird nach mehrmaligen Verschiebungen am Ende auf den nächsten Tag verschoben. Mit der Ankunft des Flugzeugs kommen neue Gesichter, andere verlassen uns. Es ist der 8. Flug dieser Saison – laut Zeitplan sollten es eigentlich schon mehr als 40 sein. Dominique und Yuchengs Flug von McMurdo nach Christchurch ist auf Sonntag verschoben worden und die beiden bleiben nun bis Freitag hier am Pol. Ob sie am Sonntag wirklich von McMurdo wegkommen, ist jedoch fraglich. Schlechtes Wetter ist vorhergesagt.
Ich widme ich mich der Reinigung des großen Teleskopspiegels. Dazu bepinsele ich den Spiegel mit einer Polymerlösung, welche den Dreck auf der Spiegeloberfläche anlöst und in die Polymerlösung einbettet. Beim Aushärten bildet die Polymerlösung einen Film, den man mitsamt dem Dreck von der Oberfläche abziehen kann. Ich warte damit aber noch bis zum Einbau des Spiegels, denn der Film bietet auch eine gute Schutzschicht solange der Spiegel nicht benötigt wird.
Der mit der Polymerlösung bepinselte Spiegel
Den Rest des Tages verbringe ich damit, CONSCAN im FPGA – ein programmierbarer Logigbaustein – der Lidarelektronik zu implementieren. CONSCAN ist ein Algorithmus, mit dem wir den Laserstrahl nachführen und kleine Bewegungen von Teleskop und Laser ausgleichen, so dass der Laserstrahl immer im Sichtfeld des Teleskops bleibt. Das Sichtfeld ist nicht sehr groß, ja eher ziemlich klein: 32 Meter in 100 km Entfernung. Der Laserstrahl hat derzeit etwa 24 Meter Durchmesser, bleiben also 4 Meter auf jeder Seite. So präzise muss deshalb die Nachführung sein: weniger als 4 Meter Abweichung in 100 km Entfernung.
Die Abweichung können wir über ein kompliziertes Modulations- und Demodulationsverfahren aus dem Lidarempfangssignal bestimmen: CONSCAN. Der Computer berechnet daraufhin die Richtung, in die der Laserstrahl bewegt werden muss, und sendet Kommandos an einen im Laser befindlichen beweglichen Spiegel, dessen Bewegung die Abweichung letztendlich ausgleicht. Das passiert während der Lidarmessungen vollkommen automatisch alle paar Sekunden.
Bisher war CONSCAN rein in Software auf dem Hauptcomputer implementiert, was ein paar Probleme mit sich brachte, und vor allem den Zyklus aus Messung der Abweichung und deren Korrektur verlangsamte. Nun habe ich den Modulationsteil von CONSCNA in den FPGA verlagert. Damit können wir den Laserstrahl deutlich schneller modulieren und hoffentlich eine höhere Genauigkeit bei der Strahlnachführung erreichen. Wirklich wissen werden wir das jedoch erst, wenn wir die Lidarmessungen im April nächsten Jahres wieder aufnehmen. Erst dann wird es hier wieder dunkel genug für den Betrieb des Lidars sein.
Bei meinem Abendspaziergang durchstreife ich das Sommerlager der Station. In der Mitte des Bildes sieht man mehrere Jamesway-Huts mit den halbrunden Dachprofilen. Diese sind weniger gut isoliert als die Station und werden nur im Sommer benutzt.