Es schneit
Ich muss ziemlich müde gewesen sein, denn als ich aufwache ist es bereits 11 Uhr. Ich habe also fast 11 Stunden geschlafen. Da heute Sonntag ist, hatte ich gestern keinen Wecker gestellt. Jetzt bin ich zwar ausgeschlafen, aber mein Körper ist vollkommen ausgetrocknet. Mein Hals fühlt sich wie Schleifpapier an, die Haut an den Händen ist schrumpelig und spröde, und mein Kopf brummt. Ich trinke die Wasserflasche, die neben meinem Bett steht, und creme meine Hände vorsichtig ein. Auf der rissigen Haut brennt die Creme wie Feuer. Sollte ich noch einen Sonntag hier verbringen, was leider nun ziemlich wahrscheinlich ist, dann muss ich mir nachts zum Trinken den Wecker stellen.
Als ich auf dem Weg zu Kantine aus dem Fenster schaue, schneit es. Keine großen Flocken, nur kleine Eiskristalle. Aber das reicht, dass die Sichtweite auf wenige Hundert Meter sinkt. Es ist grau draußen und der Horizont nicht mehr zu erkennen, und der Himmel geht ohne Kontrast in den Schnee am Boden über: Whiteout. Nun, Flüge waren für heute ohnehin nicht geplant.
Der Schneefall hat wieder aufgehört, aber es bleibt grau draußen.
Yucheng und Dominique sind immer noch hier und die Wettervorhersage für McMurdo für die nächsten Tage sieht nicht gut aus. Wenn überhaupt, dann gibt es vielleicht morgen ein kurzes Zeitfenster für einen Flug. Diese Saison verläuft ziemlich chaotisch. Das hat wohl nun auch die National Science Foundation, die die amerikanischen Stationen in der Antarktis betreibt, erkannt. Gestern wurde der Manager von McMurdo abberufen und als Manager für die beiden Flugfelder Williams Field und Phoenix bestellt. Die Flugfelder stehen damit nun unter direkter Aufsicht. Ob das zu mehr Flügen führen wird, wird sich zeigen.
Am Ausgang der Kantine hängt ein Ausdruck mit der Wettervorhersage. Williams Field und Phoenix sind die meiste Zeit rot oder gelb.
Wieder im Labor schraube ich den neuen Flansch auf das Laserfenster. Genauer gesagt versuche ich es, denn es ist wieder etwas im Weg. Ein aufgeklebter Temperatursensor verhindert, dass der Flansch auf der Fensterhalterung aufliegt. Der Temperatursensor war nicht im CAD-Modell, als ich den Flansch konstruierte. Das führt oft zu Problemen, wenn man sich auf das CAD-Modell von Teilen verlässt, die Teile aber nachträglich modifiziert und diese Änderungen nicht im Modell nachgezogen wurden. Ich möchte den Temperatursensor nicht abmachen, denn es war genau dieser Sensor, der uns darauf brachte, dass warme Luft aus dem Labor am Fenster vorbei in die Teleskop-Box strömt. Also greife ich erneut zur Feile und feile ein Stück aus dem Flansch heraus. Nachdem dann alles passt, mache ich diesmal zu Dokumentationszwecken zumindest Fotos von den modifizierten Teilen. Auf den Flansch schraube ein Rohr, was später mit Dichtschaum in die Styrodurplatten der Teleskop-Box eingedichtet wird, und dann montiere ich das Laserfenster wieder an seinen ursprünglichen Platz. Das Abdichten gestaltet sich als große Sauerei. Der Aufsatz, den man auf die Kartusche schraubt, hat einen Riss. So kommt der Schaum überall raus, nur nicht dort, wo ich ihn haben will. Das kommt leider hier öfters vor, dass Fracht auf dem Weg zum Südpol bedingt durch das viele Umladen und Umpacken beschädigt wird. Nun, man muss mit dem auskommen, was man hat. Ich mache einen großen Berg Schaum auf einer Mülltüte und streiche ihn mit den Fingern in die Fugen. Das empfiehlt sich nicht zum Nachmachen, denn das Zeug klebt furchtbar auf den Handschuhen. Morgen noch die Bleche streichen, und dann kann ich hoffentlich am Dienstag das Teleskop wieder aufbauen.
In der kleinen Werkstatt im Labor feile ich den Flansch ab.
Das Laserfenster mit dem neuen Flansch (silbernes Teil) und dem aufgeschraubten Rohr. Die blauen Kabel führen zu dem Temperatursensor unter dem Flansch.