Malerarbeiten
Ich habe neue Farbe, aber sie ist wie – die alte. Alle Eimer mit matter schwarzer Farbe im „Do not freeze“-Lager der Station sind gleich alt und im Grunde unbrauchbar. Da aber Nichtstreichen auch keine Alternative ist, denn das Lidar würde wegen der glänzenden Bleche einen hohen Untergrund sehen, beginne ich wieder mit Stochern und Rühren im Farbeimer. Nach einer Stunde habe ich den harten Bodensatz in eine Suspension aus größeren und kleineren Brocken umgewandelt. Das Lösungsmittel sieht nun dunkler aus, ist aber noch weit davon entfernt von dem, was ich als satte Farbe bezeichnen würde.
Während ich warte bis sich die Brocken im Farbeimer absetzen, baue ich aus Styrodur ein isolierendes Gehäuse für eine kleine Webcam, die später in der Teleskop-Box montiert auf den Spiegel des Teleskops schauen soll. Wir wollen sie dafür verwenden, um die Bildung von Eiskristallen auf dem Spiegel zu erkennen und zu überwachen. Wie alles draußen in der Kälte muss die Kamera geheizt werden. Also schiebe ich ein kleines Stück Aluminium mit einem aufgeklebten Kapton-Heizelement hinter das Plastikgehäuse der Kamera. Bei Außentemperaturen von bis zu -75°C im Winter würde das die Kameraelektronik ansonsten nicht überleben. Neben das Heizelement kommt noch ein Temperatursensor, damit wir die Temperatur der Kamera überwachen und regeln können, und eine kleine LED-Lampe, damit die Kamera im Dunkeln auch etwas sehen kann. Dann kommt alles in das Styrodur-Gehäuse, Klebeband drum rum, und fertig ist die südpoltaugliche Kamera.
Die Isolierung aus Styrodur schützt die Kamera vor den extrem niedrigen Temperaturen.
Vor der Station sind währenddessen mehrere Bulldozer und Pistenbully mit Schneeschiebearbeiten beschäftigt. Der Niederschlag in Form von Schnee ist nicht sehr hoch hier, die Schneedrift aber dafür um so stärker. Die Station als Hindernis bremst den Wind ab, und dort wo Wind gebremst wird, lagert sich Schnee ab. Meterweise. Und vorzugsweise hinter der Bierdose und über den Arches – dem unterirdischen Teil der Station. Die riesigen Bulldozer sind zu schwer um über den Arches operieren zu können, daher die Pistenbully. Gemeinsam schieben sie den Schnee und türmen sie zu hohen Bergen hinter der Station auf. Später in der Saison werden die Schneeberge dann Stück für Stück abgetragen und mittels Muldenkipper zu einer Halde jenseits des Außenlagers befördert. Selbst das Schneemanagement ist kompliziert hier und benötigt viele Maschinen und viel Personal.
Der Pistenbully schiebt den Schnee von den Arches und der Bulldozer befördert ihn weiter.
Der Bulldozer schiebt den Schnee zu großen Schneebergen zusammen.
Nach dem Mittagessen beginne ich mit dem Streichen der Innenseite der Teleskop-Box. Wie erwartet ist die Farbe sehr dünn und krümelig. Das wird vermutlich die hässlichste Wand, die ich jemals gestrichen habe. Und die Farbe tropft, vorzugsweise auf mich, als ich die Decke streiche. Zudem deckt sie kaum, denn die meisten Farbpigmente sind ja nach wie vor in Klumpen im Eimer gebunden. Dafür trocknet sie schnell und kaum fertig kann ich mit dem zweiten Anstrich beginnen. Dann ein dritter Anstrich. Dominique kommt vorbei, um mich zum Abendessen zu holen, aber ich will diese Aktion lieber beenden und nicht nochmals mit der Farbe anfangen müssen. Nach dem halben Tag in den Farbdämpfen habe ich ohnehin keinen Hunger. Und falls doch, so gibt es Essen im Kühlschrank. Oder es bleibt bei einem Keks.
Der für heute geplante Flug von McMurdo hierher wurde übrigens wegen schlechten Wetters abgesagt. Es hätte auch niemand etwas anderes erwartet.
Das Innere der Teleskop-Box ist nun schwarz.