Das Lidar läuft wieder
Heute bin ich genau zwei Wochen auf der Station und wende mich dem letzten kritischen Teil der Umbauarbeiten zu: der Justage des Laserstrahl des Lidars auf das Empfangsteleskop. Gestern hatte ich dazu über dem Teleskop einen Strahlteilerwürfel installiert und mit einem Justierlaser die optische Achse des Teleskopspiegels bestimmt. Nun möchte ich den vom Teleskopspiegel reflektierten Strahl mittels eines über dem Strahlteiler montierten Umlenkspiegels auf ein Ziel am Boden umlenken. Dabei gibt es zwei Hindernisse: Erstens gibt es hier im Labor keine Schraubzwinge, mit der ich die Spiegelhalterung an der Spinne des Teleskops befestigen könnte, und zweitens sehe ich den reflektierten Strahl hinter dem Strahlteiler nicht. Ersteres ist schon überraschend, denn hier gibt es fast alles an Werkzeug, was man sich nur wünschen kann. Ich habe sogar metrische Gewindeschneider in einer Schublade gefunden. Aber Schraubzwingen? Fehlanzeige. Ich finde schließlich Melinda, die mir altertümliche C-clamps aus Cryo holt. Die stammen bestimmt noch aus der Vorgängerstation, und wäre die Luft hier nicht so trocken, wären die Zwingen bestimmt hoffnungslos verrostet. So lässt sich das Ungetüm aber noch bewegen und ich schaffe es, die Spiegelhalterung am Teleskop festzuklemmen. Den reflektierten Strahl sehe ich aber noch immer nicht. Bin ich soweit von der Achse weg, dass der Strahl den Rand des Strahlteilers trifft? Mittels der beiden justierbaren Halter in denen der Justierlaser und ein Umlenkspiegel stecken, bewege ich den Strahl hin und her, es kommt aber nach wie vor kein Strahl auf der anderen Seite heraus. Ich beginne schon an meinen Fähigkeiten ernsthaft zu zweifeln. Dann baue ich den Strahlteiler wieder aus und siehe da, ich hatte ihn gestern in der Hektik falsch herum montiert. Eine der vier Seite ist abgeklebt und diese Seite war oben, wo ich im eingebauten Zustand nicht hinsehen konnte!
Justage des Laserstrahls: Der mit einer Schraubzwinge befestigte Umlenkspiegel lenkt den Lasertrahl des Leistungslasers auf eine Markierung am Boden (rechts). Der Strahlteilerwürfel sitzt über dem Hohlzylinder in der Mitte der drei Spinnenarme des Teleskops.
Nachdem nun auch dieses Problem behoben ist, sehe ich den vom Teleskopspiegel reflektierten Strahl des Justierlasers auf der Zielmarkierung am Boden. Jetzt verschiebe ich den Strahl so lange hin und her bis er zum einen exakt mittig durch ein Ziel unterhalb des Strahlteilers geht und zum anderen exakt im Mittelpunkt des Teleskopspiegels auftrifft. Diese beiden Punkte bestimmten die optische Achse des Teleskops. Anschließend markiere ich den Punkt, an dem der Laserstrahl auf den Boden auftrifft. Jetzt muss ich nur noch den Strahl des großen Leistungslasers auf genau dieselbe Achse einjustieren. Dazu baue ich den Strahlteilerwürfel wieder aus und setzt an seine Stelle den Umlenkspiegel, welcher später den Laserstrahl nach oben in die Atmosphäre umlenken wird. Da aber momentan noch der mit der Schraubzwinge befestigte andere Umlenkspiegel über ihm sitzt, wird auch der Strahl des Leistungslasers auf das Ziel am Boden umgelenkt. Nun stelle ich die beweglichen Spiegel, die den Strahl des Leistungslasers umlenken, so ein, dass der Strahl überall mittig auf den Spiegel zu liegen kommt und der Strahl die zuvor markierte Stelle auf dem Boden trifft. Es ist ein iterativer Prozess. Hier etwas drehen, dort schauen wo der Strahl hingewandert ist, woanders drehen, um den Laserpunkt wieder auf die Markierung zu bekommen, und wieder zurück zum Anfang. Zu zweit müsste ich nicht immer hin und herlaufen und die Justage ging deutlich schneller. Aber eine weitere Person hierher zu schicken war dieses Jahr nicht möglich. Dann ist auch dieser Teil geschafft und es ist Zeit für einen echten Lidar-Test. Noch ist blauer Himmel draußen. Also entferne ich den mit der Schraubzwinge befestigten Umlenkspiegel, installiere die optische Faser, welche das vom Teleskop gesammelte Licht zum Lidar-Empfänger leitet, klebe die Öffnung der Teleskop-Box luftdicht mit einer Plane zu und bringe die schwere, mit Styrodurplatten beplankte Türe in Position. Nun raus aufs Dach um die Dachluke zu öffnen.
Das Dach der Station mit der Luke, unter der unser Teleskop steht. Im Hintergrund sieht man die Schneeberge, das Sommerlager und der Materiallagerplatz.
Die flexiblen Treibstofftanks auf dem Schlitten werden über Schläuche entladen und der Treibstoff in die Tanks der Sation gepumpt. Jeder der 8 Tanks fasst etwa 11000 Liter, was das Gesamtgewicht des Schlittens auf etwa 75 Tonnen bringt.
Von hier oben hat man einen guten Überblick über die Aktivitäten um die Station herum. Neben der Südpol Traverse ist vor zwei Tagen auch die von Wissenschaft getriebene COLDEX Traverse hier angekommen und hat in unmittelbarer Nähe zur Station ihr Lager aufgeschlagen. Auf der anderen Seite ist eine Gruppe von Leuten damit beschäftigt, die mit Treibstoff gefüllten Schlittentanks der Südpol Traverse zu entleeren. Das Wetter ist fantastisch und ich genieße für einen kurzen Augenblick den Ausblick. Dann öffne ich die Luke über dem Teleskop und meine gute Laune verfliegt schnell. Ich habe vergessen den Justierlaser abzubauen. Er stört nicht wirklich, aber ich habe Bedenken, dass er die momentan herrschenden -30°C vielleicht nicht überlebt. Sollte der Justierlaser kaputt gehen und ich die Justage wiederholen müssen, bin ich aufgeschmissen. Zähneknirschend schraube ich die Luke wieder fest und gehe nach unten: schwere Türe weg, Klebeband von Plane abziehen, Plane weg, Brandschutzblech wegheben, Justierlaser abschrauben, und alles wieder zurück. Genügend Zeit um mich über meine Nachlässigkeit zu ärgern. Nach einem zwölfstündigen Arbeitstag lässt die Konzentrationsfähigkeit merklich nach, und das zeigt sich nun. Aber es hilft nichts, die Zeit drängt und morgen wird es schon wieder bewölkt sein. Wer weiß schon ob in den folgenden Tage noch einmal blauer Himmel aufzieht. Ich brauche unbedingt klares Wetter, um die Feinjustage abschließen und das Lidar testen zu können.
Blick in die geöffnete Luke mit dem Teleskop darunter. Der weiße Block in der unteren linken Ecke ist eine Kamera, die nach Wolken schaut und den Laserstrahl beobachtet.
Es ist fast Mitternacht als ich zum zweiten Mal auf das Dach gehe, um die Luke zu öffnen. Mitternacht hat hier jedoch keine Bedeutung, denn die Sonne scheint nach wie vor und ist nur ein Stück im Kreis um die Station herum weitergerückt. Die Sonnenhöhe hat sich nicht geändert. Beim Blick nach unten auf das Teleskop ist diesmal alles so, wie es sein soll, und zufrieden gehe ich nach unten und starte das Lidar. Das ist leichter gesagt als getan. Im automatischen Modus drückt man für den Start nur einen Knopf; für die Justagearbeiten muss ich das Lidar jedoch manuell starten. Das letzte Mal ist nun beinahe zwei Jahre her und ich muss erst die einzelnen Schritte wieder aus meinem Gedächtnis hervorkramen. Mittels eines motorisierten Spiegels bewege ich den Laserstrahl in einem Suchmuster. Nur ganz wenig, die Winkeländerung entspricht nur etwa einem Meter in einem Kilometer Entfernung. Gleichzeitig beobachte ich die Anzeige, welches das Empfangssignal des Lidars darstellt. Momentan sehe ich nur eine Nadel - das ist das Laserlicht, was unmittelbar über dem Teleskop gestreut wird. Treffe ich mit dem Laserstrahl die optische Achse des Teleskops, wird sich diese Nadel auf einer Seite nach oben verbreitern und eine Art Dreieck bilden. Es dauert nicht lange und die Nadel beginnt zu zucken. Nacheinander bewege ich den Laserstrahl ein winziges Stück in alle vier Himmelsrichtungen und versuche herauszufinden, in welche Richtung ich laufen muss, damit das Signal stärker wird. Noch ein kleines Stück weiter in diese Richtung und die Nadel klappt zum Dreieck auf: der Laserstrahl hat das Sichtfeld des Teleskops getroffen.
Ein Screenshot der Anzeigen des Lidars während des ersten Tests. In dem Fester unten in der Mitte sieht man vier Kurven, die wie spitze Dreiecke aussehen. Das sind Höhenprofile der Empfangssignale der vier Detektoren des Lidars.
Ich bin sehr erleichtert, dass nach der Demontage und dem Wiederaufbau das Lidar nun prinzipiell wieder funktionsfähig ist. Nun bleiben noch Arbeiten an der Software, das Spiegelputzen und ungefähr hundert andere kleinere Dinge zu erledigen. Aber nicht mehr heute. Müde aber zufrieden falle ich ins Bett.