Nach dem Ursprünglichen Plan hätte ich heute die Antarktis verlassen und von McMurdo nach Christchurch zurückfliegen sollen. Wegen der langen Zwangspause in McMurdo bei der Anreise zum Südpol wird daraus aber nichts, denn ich bin mit den Arbeiten am Lidar-Instrument noch nicht fertig. Ich suche nach Lecks, durch die warme Luft aus dem Labor in die Teleskop-Box gedrückt wird. Eine Wärmebildkamera wäre jetzt das Mittel der Wahl, aber so etwas gibt es hier nicht. Also muss ich improvisieren. Den Temperatursensor des tragbaren Temperaturmessgeräts klebe ich auf einen Meterstab und gehe damit hoch aufs Dach der Station. Durch die geöffnete Luke beginne ich dann damit, von oben her alle Kannten der Box mit der Spitze des Meterstabs abzutasten. Es ist ein mühsames und zeitraubendes Unterfangen, denn ich berühre mit dem Sensor immer wieder die Wand anstatt wenige Millimeter von der Wand entfernt die Temperatur der Luft zu messen. Aber es gelingt mir, eine ganze Reihe an warmen Stellen zu lokalisieren. Wieder unten im Labor versuche ich die Stellen auf der Außenseite der Teleskop-Box zu finden. Es gibt aber so viele Ritzen und kleine Spalte in zwischen den Sperrholzplatten, dass dort überall Luft eindringen und dann im Zwischenraum zwischen den Sperrholzplatten und der inneren Isolierung wandern kann. Das wird nichts. Ich beschließe in den sauren Apfel zu beißen und morgen die komplette Box außen mit Folie aus Müllsäcken luftdicht abzukleben.

Später lädt uns der Leiter der Südpol-Traverse zu einem Tag der offenen Türe in das Lager ein. Es besteht aus einem langen Schlittenzug mit Aufenthaltscontainer, Wohncontainern, Sanitärcontainer, Kraftwerk und Materialcontainer. Auf der ebene kann der gesamte Schlittenzug von einem einzigen Traktor gezogen werden. Geht es jedoch bergauf, werden zwei oder gar drei Traktoren hintereinander gespannt. Bei der Strecke zurück den Berg runter wird es noch komplizierter, denn die Schlitten haben keine Bremse und würden auf den vorausfahrenden Traktor auflaufen. Deshalb wird in diesem Fall ein zweiter Traktor ans Ende des Zuges gespannt. Dieser Traktor gibt die Geschwindigkeit vor und der vordere Traktor hält die Zugseile gespannt und bestimmt die Richtung.

Das Lager besteht aus einem Schlittenzug mit Containern (von links nach rechts): Aufenthaltscontainer, Kraftwerk, großer Wohncontainer, Sanitärcontainer und kleiner Wohncontainer. Die Traktoren werden um die Container herum geparkt und vom Kraftwerk mit Strom für die Motorheizung versorgt.

Normalerweise wird die Südpol-Traverse von 10 Personen gefahren. Da jedoch die zweite Traverse dieses Jahr ausfällt, wurde die erste Traverse um zusätzliche Schlittenzüge vergrößert. Mit dann insgesamt 14 Personen wird es überall sehr eng, insbesondere im Aufenthaltscontainer, wie uns der Leiter erzählt. Hier wird gekocht und gegessen und es werden Lagebesprechungen abgehalten. Zudem gibt es hier eine Waschmaschine, einen Trockner, eine Dusche und das Highlight der letzten Jahre: eine Verbrennungstoilette. Auf der Karte an der Wand erläutert uns der Leiter den Weg. Wegen schlechten Wetters und schwierigen Eisbedingungen auf dem Gletscher hat die Fahrt diesmal 33 Tage anstatt der üblichen drei Wochen gedauert. Auf dem Gletscher mussten sie zwei große Gletscherspalten sprengen und dann mit Schnee und Eisbrocken einfüllen, um eine passierbare Straße zu bauen. Oben auf dem Plateau erwarteten sie dann bis zu 1,5 Meter hohe Sastrugi – das sind vom Wind geformte Strukturen im Schnee. Diese mussten mühsam mit den Schaufeln der Schlepper geräumt werden, denn selbst die riesigen Schlepper bleiben ansonsten auf den Sastrugi einfach stecken. Sie sitzen auf und die Ketten drehen durch.

Im Aufenthaltscontainer wird gekocht und gegessen. Bei 14 Personen bleibt nicht viel Platz.

Der Leiter der Traverse erläutert auf der Karte die Wegstrecke.

Gefahren wird jeden Tag 10 Stunden und nur unterbrochen von einer Stunde Mittagspause. Und das jeden Tag ohne Pause am Wochenende. Mit Vorbereitung, Nachbereitung wie dem Betanken der Traktoren und Wartungsarbeiten sind das dann mindestens 12 Arbeitsstunden pro Tag. Geschlafen wird normalerweise in einem der fünf Quartiere im Wohncontainer. Wegen der vier zusätzlichen Fahrer wurde diesmal ein zusätzlicher kleinerer Wohncontainer angehängt. Das Kraftwerk mit zwei Dieselgeneratoren in der Mitte des Zuges versorgt die Container und die abgestellten Traktoren mit Strom. Bei den niedrigen Außentemperaturen müssen die Motoren der Traktoren ständig geheizt werden, ansonsten drohen Ausfälle. Besonders anstrengend sind Reparaturen an den Maschinen, denn unterwegs gibt es keine Garage, die Schutz vor dem Wetter bieten würde.

Im großen Wohncontainer gibt es fünf Schlafquartiere mit je einem Stockbett.

Das Ende des Schlittenzugs: In den schwarzen Fässern werden Urin und sonstige Abwässer gesammelt. Zum beladen der Schlitten sind zwei der Traktoren mit Kränen ausgestattet (lingks), andere tragen große Schaufeln (rechts).

Der Leiter erzählt noch viele interessante Geschichten, die ich aber nicht alle hier wiedergeben kann. Es hört sich nach einer sehr herausfordernden Tätigkeit an. Bei gutem Wetter durch die antarktischen Berge zu fahren, ist sicherlich eine aufregende Vorstellung. Aber gutes Wetter ist am Rand der Antarktis eher selten. Und wenn der Leiter auch nicht näher darauf eingeht, glaube ich doch herauszuhören, dass es ein ziemlicher Knochenjob ist. Man erzählt eben lieber die schönen Dinge.

Morgen in aller Frühe werden sich die 14 Männer und Frauen mit ihren Fahrzeugen und Schlitten wieder auf den Rückweg nach McMurdo machen. Da die Straße nun geräumt und die Fracht leichter ist, werden sie die 1600 km lange Strecke vielleicht in zwei Wochen schaffen. Im Januar geht es dann noch einmal zum Pol und wieder zurück.