Der Aufbau beginnt
Auf dem Rückweg von der Kantine nach dem Frühstück erfahren wir, dass wir uns bereits heute aus der Quarantäne freitesten können. Offensichtlich haben es sich die Verantwortlichen anders überlegt, wie sie die Quarantänetage zählen. Unser Flugtag von McMurdo zum Pol ist nach der neuen Zählweise schon Tag 1 und nicht Tag null, und damit wäre der heutige Tag der Tag 5. Mir soll’s recht sein. Gegen 9 Uhr gehen wir zur Klinik und lassen uns testen. Ich frage noch, ob wir denn heute schon mit der Arbeit anfangen können und der Arzt entgegnet „ja, ja, sollte jemand von euch positiv sein, kommt er uns schon holen“. Ist natürlich nicht passiert, dass jemand positiv war. Dann geht es los zu Sheryl. Sie ist die Wissenschaftskoordinatorin auf der Station und unser primärer Ansprechpartner für alle Unterstützungsarbeiten des Stationspersonals. Sherly zeigt uns das B2 Labor und die Bühne unter dem Dach, auf der das Lidar installiert werden soll.
Das B2 Labor. Das Empfangsteleskop von unserem Lidar wird in der Holzkiste mit der blauen Styrodurauskleidung (links im Bild) installiert.
Im B2 Labor arbeiten eine ganze Reihe von Wissenschaftlern an den unterschiedlichsten Experimenten. Eine große Ecke nimmt die Kontrollstation von Ice Cube ein, aber es sind z.B. auch Leute da, die mit einem Radargerät von einem Basler-Flugzeug aus das Eis vermessen.
Die zwei Holzkisten mit Teilen des Teleskops stehen schon für uns im Labor breit. Wir beginnen mit dem Zusammenbau des Gestells, welches später das Teleskop und den Laser tragen wird. Wir treffen Hans, einen der beiden Techniker, die sich den Winter über um die Experimente kümmern wird. Er geht mit uns auf das Dach und zeigt uns die Stelle, an der er morgen für unser Teleskop ein Loch in das Dach sägen wird. Das Teleskop selbst wird unter dem Dach auf der Bühne in der isolierten Kiste stehen und durch das Loch im Dach nach draußen schauen. Bei schlechtem Wetter kann das Loch mit einem Deckel verschlossen werden.
Nach dem Mittagessen werden uns die verbleibenden vier Zarges-Boxen mit den restlichen Teilen gebracht. Insgesamt schickten wir etwa 500 kg an Einzelteilen für das Lidar, alle fein säuberlich in Kisten verpackt, zum Pol. Wir schleppen die Kisten die Treppe hoch zur Bühne und beginnen mit dem auspacken. Oder eher, ich versuche mich zu erinnern, welche Teile in welcher Kiste verpackt sind. Wir haben zwar Frachtlisten für den Zoll, aber diese enthalten nur die größeren Teile, da die Liste ansonsten weit mehr als 200 Positionen aufweisen würde. Als wir die Teile im Juli unter Zeitdruck einpackten – manche Teile sind erst zwei Tage vorher fertig geworden - war für eine detailliertere Beschreibung keine Zeit mehr. Jetzt versuche ich mir zu erinnern: Wo sind nochmal die Nutensteine für das Gestell und die M4 Schrauben für das Rack? Und wo ist unser Werkzeug?
Christopher öffnet die Kiste mit dem Teleskopspiegel (der Spiegel ist unter der brauen Abdeckung aus Karton).
Schließlich haben wir alle Teile, welche wir für das Gestell benötigen, gefunden und schrauben es zusammen. Es folgen der Spiegelträger und Karbonstangen für das Teleskop. Nachdem wir die Teleskopstruktur probeweise montiert haben, richten wir das Gestell in der isolierten Box aus, damit Hans morgen einen Referenzpunkt für das Loch im Dach hat.
Christopher montiert die Teleskopstruktur in der isolierten Box. Im Hintergrund sieht man unsere vier Zarges-Kisten mit Lidarteilen.
Nachdem das geschafft ist, montieren wir das Elektronik-Rack. Darin werden später die verschiedenen elektronischen Geräte des Lidars wie Netzteile, Steuerungselektronik, Computer und der Kühler des Lasers untergebracht. Wir sind gerade mit den Lastschienen fertig, als Hans vorbeikommt und mir einen Stecker für den Stromanschluss des Lidars in die Hand drückt. Er erklärt noch kurz welcher der Kontakte Erdung, Neutralleiter und Phasen sind und verschwindet dann wieder. Offensichtlich sollen wir das Lidar selbst anschließen. Soviel zu der wochenlangen Diskussion über den Stromanschluss und die Notwendigkeit, diesen von einem Elektriker vornehmen zu lassen. Der Elektriker, der normalerweise für die wissenschaftlichen Experimente zuständig ist, hat dieses Jahr die medizinische Tauglichkeitsprüfung nicht geschafft, und es stand schon im Raum, dass wir ohne Elektriker das Lidar diese Saison nicht mehr in Betrieb nehmen können. Der Stromanschluss ist nämlich geringfügig kompliziert, denn hier auf der Station gibt es nur das amerikanische Netz mit 120 V Spannung. Wir nehmen nun zwei Phasen ohne Neutralleiter und machen uns daraus 208 V. Diese 208 V gehen dann durch einen Boost-Transformator und werden in 226 V umgewandelt, womit wir schließlich den Laser, Kühler und den Rest der Elektronik betreiben. Also das Kabel abgeschnitten, den Stecker montiert und fertig. Laut unserem Multimeter kommen am Ende nur 220 V raus, aber das wird schon reichen. Zumindest ist beim Einstecken keine Sicherung geflogen. Die Sicherheitsunterweisung für das Labor ist übrigens erst morgen; für Physiker drücken sie wohl ein Auge zu.
Nach dem Abendessen schaffen wir es noch den Computer und einen Teil der Steuerelektronik in Betrieb zu nehmen. Die Programme starten und wir haben schon einmal drei grüne Statusanzeigen. Das ist mehr als ich für den ersten Tag erhoffte.
Bernd verkabelt die Steuerelektronik des Lidars im Rack.
Später gibt es noch einen Abendvortrag zum Thema „Die Suche nach dem ältesten Eis in der Antarktis“. Das war sehr interessant. Die Forscher versuchen aus Bohrkernen das Erdklima bis zu 1 Million Jahre zurück zu rekonstruieren – vorausgesetzt sie finden Eis, was alt genug ist. Dazu finden momentan vom Pol aus Erkundungsflüge mit der Basler statt.