Heute ist Waschtag. Wir haben auf der Station einen Waschraum mit Waschmaschinen und Trocknern ähnlich wie in einem kleinen Waschsalon. Nach Möglichkeit sammelt jeder seine Wäsche bis eine Waschmaschine komplett voll ist, denn die Wassergewinnung ist hier sehr aufwendig und energieintensiv. Das Trinkwasser der Station kommt aus einer unterirdischen Kaverne im Eis. In diesen Hohlraum wird flüssiges Wasser, welches von der Abwärme der Dieselgeneratoren erhitzt wird, gepumpt und bildet einen See. Das Wasser schmilzt das Eis am Grund des Sees und mit der Zeit wird dadurch der See immer tiefer. Gleichzeitig wird an der Oberfläche des Sees kontinuierlich Wasser abgepumpt, technisch aufbereitet und in Lagertankts in der Station gespeichert. Das ist unser Trinkwasser. Man kann leicht ausrechnen, wieviel Energie man für das Schmelzen von 1 Liter Wasser benötigt; die Energie, die in Form von Dieseltreibstoff von McMurdo aus eingeflogen oder über 1000 Kilometer weit über Land mit einem Schlittenzug bis zur Südpolstation transportiert werden muss. Wassersparen bedeutet hier in erster Linie Energiesparen. Das betrifft nicht nur das Waschen der Kleidung, sondern alle Bereiche, sei es das Abspülen der Teller oder die Köperpflege. Duschen ist auf zweimal die Woche für jeweils maximal zwei Minuten begrenzt.

Am Montag steht die jährliche Wartung der Wassergewinnungsanlage an. Die Schmelze wird dann für zwei bis drei Tage abschaltet, und während dieser Zeit können die Tanks nicht mehr aufgefüllt werden. Das bedeutet: keine Dusche, kein Wäschewaschen und beim Abspülen noch mehr sparen als sonst. Insofern ist das heute für die nächsten Tage die letzte Gelegenheit, Wäsche zu waschen. Ich entscheide mich gegen den Trockner und hänge die nasse Wäsche stattdessen in meinem Zimmer auf. Bei der geringen Luftfeuchtigkeit kann man sogar fühlen, wie die Wäsche durch die Verdunstungskälte abkühlt. Nach nicht einmal einem halben Tag ist sie komplett trocken. So hatte ich das auf der Davis-Station auch immer gemacht. Warum hier Trockner stehen, ist mir schleierhaft.

Neben dem Wäscheraum erinnert auch sonst vieles an Jugendherbergen. Es gibt Gemeinschaftsbadezimmer (getrennt nach Frauen und Männern) mit Toiletten und einer Dusche in den „Pods“ auf jedem Stockwerk. „Pods“ werden die Anbauten an das Hauptgebäude der Station genannt. Von oben gesehen sieht die Station wie ein Buchstabe „E“ aus, nur mit vier statt drei horizontalen Strichen. Der lange Querbau beherbergt die Infrastruktur (Kantine, Klinik, Labore, Technikräume, etc.) und in den vier Pods sind die Zimmer und Aufenthaltsräume untergebracht. Dazu kommt noch ein Notkraftwerk für den Fall, dass das unterirdische Hauptkraftwerk ausfällt. Mein Zimmer ist in Pod A im Obergeschoss. Die ganze Station ist zweistöckig.

Bild der Station Mein Zimmer ist im Obergeschoss von „Pod A.“

Jeder Pod bildet eine eigenständige Einheit und ist mit Brandschotts von der Hauptstation abgetrennt. Feuer ist so ziemlich das Schlimmste, was auf einer isolierten Station passieren kann. Daher wird der Bandschutz sehr ernst genommen und ein Teil der Überwinterer sind ausgebildete Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen (als Nebenbemerkung: derzeit sind schätzungsweise 40% der Stationsbewohner Frauen). Falls doch mal etwas passieren sollte und die Station evakuiert werden muss, gibt es die Sommerstation 300 Meter von der Hauptstation entfernt. Diese besteht im Wesentlichen aus Zelten und ein paar kleineren Hütten.

Nachdem das Wäschewaschen erledig ist, machen wir uns wieder an die Arbeit im Labor. Christopher und Hans sägen Löcher in die Teleskop-Box für die Durchführung von Kabeln und für die Installation des Laserfensters. Ich kümmere mich währenddessen um die Erweiterung der Software für den Betrieb des Lidars. Wir hatten zwar die wichtigsten Funktionen beim Testbetrieb des Lidars in Deutschland getestet, aber wesentliche Teile für die spätere Automatisierung des Betriebs sind noch nicht implementiert. Das betrifft nicht nur die Software auf dem Hauptrechner des Lidars, sondern auch Mikrocontroller in der Steuerungselektronik. Es ist stellenweise mühsam, wenn man nicht wie sonst mal schnell im Internet in Datenblättern oder der Dokumentation von Schnittstellen nachschauen kann. Aber es geht voran und die Software macht Fortschritte. Das Programm für den Multiplexer/Demultiplexer (MDM) ist fertig und getestet.

Hans und Christopher
Hans und Christopher sägen Löcher in unsere Teleskop-Box für das Laserfenster und Kabel

Später machen wir deionisiertes Wasser für den Kühlkreislauf des Lasers. Dazu lassen wir Leitungswasser durch einen Ionenaustauscher laufen. Wie so oft auf Kampagne passen die Teile nicht wirklich zusammen und wir müssen improvisieren: Christopher drückt den Trichter auf den Schlauch und ich kippe Wasser nach. Während Christopher mehrmals die Wasserflaschen wieder auffüllt, muss ich den Schlauch hochhalten, damit das Wasser nicht wieder rausläuft. Irgendwo auf der Station hätten wir nach längerer Suche wahrscheinlich ein passendes Fitting gefunden, aber man muss pragmatisch bleiben. Auch so haben wir nach einer Stunde genügend deionisiertes Wasser zusammen.

Christopher
Christopher passt mit seinem Kopf genau zwischen Kabelkanal und Sprinklerleitung an der Decke

Bernd
Bernd hält den Schlauch während Christopher Wasser holt

Zum Schluss noch die Beantwortung von zwei Leserfragen.

Warum hat Christopher kurze Hosen an? 

Die Frage bezieht sich auf den Artikel Der Aufbau beginnt. Nein, Christopher hat keine Wette verloren. Im Labor stehen viele Computer und sonstige elektronische Geräte, die spürbar viel Abwärme erzeugen. Auf der Bühne unter dem Dach der Station wird es somit doch recht warm und es lässt sich in kurzen Hosen und T-Shirt dort aushalten. Da mir auch sonst eher immer kalt ist, belasse ich es bei langer Kleidung (ich habe auch keine kurze Hose dabei).

Warum tragt ihr Masken?

Die Masken sind zum Schutz der Überwinterer auf der Station falls einer von uns doch noch COVID in sich trägt. Die Inkubationszeit von COVID kann auch mehr als die 5 Tage Quarantäne betragen, daher tragen wir nach der Quarantänezeit noch weitere 5 Tage Masken. Im Anschluss daran werden nochmals COVID-Tests bei uns gemacht.