Das Kraftwerk der Station
Der Schreiner kommt heute und wir besprechen, wie wir die Auskleidung der Teleskop-Box mit den Blechen machen wollen. Wie immer ist es kompliziert, denn man muss das untere Bodenblech herausnehmen können, damit man das Teleskop montieren kann. Die Streben des Teleskops werden nämlich von unten an die Trägerplatte geschraubt. Wenn das Bodenblech montiert ist, komme ich nicht an die Schrauben ran. Wir überlegen hin und her und bleiben dann bei der einfachsten Lösung. Wir machen das Bodenblech aus zwei Teilen. Der hintere Teil bleibt fest und den vorderen Teil kann man herausziehen. Ich bin gespannt, ob wir an alles gedacht haben.
Der für heute geplante Flug aus McMurdo wird wieder wegen des in McMurdo um Zeitpunkt der Rückkehr erwarteten schlechten Wetters abgesagt. Wegen der niedrigen Temperaturen bleiben die Flugzeuge nicht am Pol, sondern fliegen in der Regel am selben Tag wieder zurück nach McMurdo. Wir scheinen mit unserem Flug letzte Woche wirklich Glück gehabt zu haben, denn seither ist kein Flug mehr hier angekommen. Für den Rest der Woche ist nun für jeden Tag ein Flug geplant. Bisher haben in dieser Saison nur 7 Flüge stattgefunden und ein Großteil der Fracht für die Südpolstation liegt noch in McMurdo.
Ich beschäftige mich wieder mit der Software für unser Lidar. Für heute steht die Aktualisierung des Datenerfassungsprogramms und des Datenspeicherprogramms an, und beides klappt problemlos. In Zukunft werden die Messdaten in einem leistungsfähigeren Rohdatenformat gespeichert. Nach 11 Jahren, 2013 haben wir mit der Entwicklung der Lidar-Software angefangen, sind wir nun bei der Version 3 des Datenformats angekommen.
Spät am Abend treffe ich jemanden von der Nachtschicht der Stationstechnik. Da momentan nicht viel los ist, gehe ich mit runter und lasse mir das Kraftwerk zeigen. Es liegt etwa 15 Meter unter der Oberfläche im Eis vergraben und ist über einen Tunnel und einem Treppenschacht – Bierdose genannt – mit der überirdischen Station verbunden. Als wir im Treppenschacht die unzähligen Stufen nach unten steigen, schlägt mir kalte Luft entgegen und ich wünschte, ich hätte meinen Parka mitgenommen. -40°C können auch für nur drei Minuten ganz schön kalt sein, wenn man nicht die richtige Kleidung anhat. Unten angekommen laufen wir den Tunnel entlang vorbei an den Eistunneln, die zu den Brunnen führen. Dann erreichen wir bibbernd das Kraftwerk. Drinnen ist es wiederum schön warm.
Das Kraftwerk der Station: nach links geht es zur Wasseraufbereitungsanlage, gerade aus zum Maschinenraum und nach rechts zum Kontrollraum.
Im Maschinenraum stehen vier Aggregate bestehend jeweils aus einem leistungsstarken Caterpillar Dieselmotor und einem Drehstromgenerator: drei Sätze mit jeweils 750 kW und einmal 600 kW. Normalerweise läuft immer nur eines der leistungsstärkeren Aggregate; das kleinere ist dazu da um Spitzenlasten abzudecken, oder für Notfälle. Nach 500 Stunden wird von einem Aggregat auf ein anderes umgeschaltet und das alte Aggregat geht in Wartung. Verschleißteile werden ausgetauscht, das Öl wird gewechselt, die Ventile werden neu eingeschliffen bzw. eingestellt und etwaige Reparaturen werden vorgenommen. Das Umschalten geschieht vollkommen transparent. Da neben dem laufen Aggregat immer ein weiters in Standby gehalten wird, ist der Motor bereits vorgewärmt und kann direkt gestartet werden. Das Starten funktioniert wie beim Auto über einen elektrischen Anlasser und eine Starterbatterie. Wenn der Motor die Nenndrehzahl erreicht hat, wird der neue Generator mit dem Stationsnetz synchronisiert. Dann wird langsam die Drehzahl leicht erhöht, bis der Generator die Last übernommen hat und das alte Aggregat in den Leerlauf übergeht und schließlich abgeschaltet wird.
Ein Caterpillar Dieselmotor gekoppelt mit einem Generator mit 750 kW Leistung.
Der Techniker kontrolliert die Starterbatterien des Motors.
Trotz der Kopfhörer ist es laut im Maschinenraum. Wir kontrollieren diverse Anzeigen und Computerbildschirme, die Auskunft über den Status der Anlage geben: Zylinderkopf- und Abgastemperaturen, Öldruck, Verbrauch, Spannung und Strom des Generators, und eine ganze Reihe weiterer Parameter. Alles ist grün. Jetzt am Abend liegt die mittlere elektrische Last bei 540 kW und der Verbrauch des Motors beträgt etwa 150 Liter JP-7 pro Stunde oder 3600 Liter pro Tag. Auf das Jahr hochgerechnet sind das etwa 1,3 Millionen Liter. Der Treibstoff lagert in riesigen Tanks in einem langen Tunnel etwas weiter von der Station entfern – den Fuel Arches. Von dort wird er in einen Zwischentank im Kraftwerk gepumpt, gefiltert, vorgewärmt, nochmals gefiltert und schließlich zu den Motoren geleitet.
Die Schalttafel mit den Hauptschaltern des Kraftwerks.
Neben der elektrischen Energie wird auch die Abwärme der Motoren genutzt um die Station zu heizen. Über Wärmetauscher wird die Abwärme auf mehrere Glykolkreisläufe übertragen, die wiederum die Wärme zur Station transportieren. Falls mal ein Motor Feuer fangen sollte, steht ein CO2-Löschsystem zur Verfügung. Im Brandfall wird aus einem Satz großer Druckgasflaschen CO2 auf den Motor geblasen und somit das Feuer erstickt. Bisher ist das noch nie hier passiert. Feuer ist jedoch die Größte Gefahr auf der Station und aus diesem Grund liegt das Kraftwerk unten im Eis und etwas abseits der Station. Sollte es hier einmal brennen, kann das Feuer im Grunde nicht auf die Station übergreifen. Im Falle eines Totalausfalls des Kraftwerks steht ein zweites kleineres Kraftwerk in der Station zur Verfügung. Es ist nicht so leistungsfähig wie das große Kraftwerk, kann aber das Überleben der Station sichern.
Für die Überwachung des Kraftwerks werden rund um die Uhr zwei Personen benötigt. Die Tagschicht umfasst zusätzliches Personal für die Wartung und für Reparaturen an den Anlagen. Es ist wirklich eine Menge an Technik hier verbaut. Wenn man bedenkt, dass alles für den Bau der Station benötigte Material mit Flugzeugen hierhergebracht wurde, grenzt das schon fast an ein Wunder: angefangen von den schweren Motoren, Strahlträgern, Tanks und Leitungen, über Baukräne und andere schwere Fahrzeuge, bis hin zur Innenausstattung wie Beispielsweise die Öfen für die Küche und die Tische und Betten in unseren Zimmern. Während der Bauphase landeten und starteten hier bis zu 20 Flugzeuge pro Tag. Das ist aus heutiger Sicht beinahe unvorstellbar. In dieser Saison liegt die Flugrate bei etwa einem Flug pro Woche!